"Spieler beschwerten sich über zu viele Schwarze im Verein": Victor Ikpeba - eines der größten BVB-Missverständnisse

-3
"Spieler beschwerten sich über zu viele Schwarze im Verein": Victor Ikpeba - eines der größten BVB-Missverständnisse

Im Jahr 1993 holte der damalige Monaco-Trainer Arsene Wenger Victor Ikpeba zu den Monegassen. Der Nigerianer kam vom belgischen Erstligisten RFC Lüttich, war 20 Jahre jung und galt als ein Talent mit großem Potenzial. Kurz vor seinem Wechsel erhielt er zudem die Auszeichnung als bester afrikanischer Spieler der belgischen Liga.

Der Transfer erwies sich als richtiger Schritt: Umgeben von Weltstars wie Thierry Henry, Emmanuel Petit, Fabien Barthez oder David Trezeguet entwickelte sich Ikpebas zu einem international bekannten Torjäger. 1997 trug er mit seinen 13 Treffern zum Gewinn der französischen Meisterschaft bei. Auch bei der Nationalmannschaft lief alles bestens: 1994 gewann er die Olympischen Spiele, 1996 - den Afrika-Cup und 1997 wurde er Afrikas Fußballer des Jahres.

Der Stürmer fiel nicht nur auf, sondern auch neben dem Platz auf: Große Partys, teure Sportwagen und schicke Klamotten gehörten zu seinem Lebensstil. Mit anderen Worten, er fühlte sich sowohl sportlich als auch privat wohl.

Mit der Zeit rückte sein persönliches Leben jedoch immer mehr in den Vordergrund, bis es schließlich sein sportliches Talent völlig überschattete.  Ikpeba beschimpfte den neuen Monaco-Trainer Jean Tigana als Rassisten: Dieser soll ihm Henry und Trezeguet nur aufgrund des Weltmeistertitels mit Frankreich vorgezogen haben. In der Nationalmannschaft warf er den Verantwortlichen vor, dass sie ihn aufgrund seiner Stammeszugehörigkeit ausgrenzen und außerdem in Mafia-Geschäfte verwickelt sind. Daraufhin wurde er suspendiert.

Damit war das Kapitel Monaco beendet, und der 26-Jährige suchte sich einen neuen Verein. Zu dieser Zeit benötigte Borussia Dortmund einen neuen Stürmer: Paulo Sergio von AS Rom war der Wunschkandidat, doch er wechselte schließlich ausgerechnet zum Erzrivalen Bayern München. Also schnappte sich der BVB zur Saison 1999/00 Victor Ikpeba für satte 12 Mio. Mark. "Wollen wir doch mal sehen, wer den besseren Stürmer geholt hat", schickte Vereinspräsident Gerd Niebaum bei der Vorstellung des neuen Spielers eine Kampfansage nach München.

Beim BVB war man sich sicher, dass man einen Umgang mit dem skandalösen Profi finden wird. Doch ziemlich schnell verstand man, wie sehr man sich mit dieser Einschätzung verfehlt hat. Ikpeba war in einer schlechten physischen Form. Daher wurde er nach den ersten Einsätzen von Trainer Michael Skibbe aus der Startelf gestrichen.

Daraufhin beschwerte sich der Nigerianer beim Sportsender DSF: "Ich habe das Gefühl, dass sie mich reingelegt haben. Vielleicht hat der Trainer ja keine Verwendung für mich. Dann sollte er mir das sagen. Dann kann ich versuchen, woanders hinzugehen". Er sagte, dass er bei Monaco wie ein "kleiner Gott" behandelt wurde, während er beim BVB "ein Niemand" ist. Für diese Aussagen wurde ihm eine Strafe in Höhe von 15.000 Mark erteilt. Außerdem wurde er für ein Spiel gesperrt.

Die Probleme hielten an: Im Training kam es zu einer Schlägerei zwischen dem Ikpeba und Mitspieler Sead Kapetanovic. Der Nigerianer wurde des Weiteren wegen Beamtenbeleidigung angezeigt, nachdem er bei einer Polizeikontrolle angeblich rassistisch beleidigt worden war.

Sportlich fand Ikpeba bei Dortmund nicht mehr zurück. Erst später stellte sich heraus, dass dies nicht ausschließlich mit seinem Charakter oder einem Kulturschock zu tun hatte. Im Mai 2000 verstarb seine Ehefrau mit nur 24 Jahren an Brustkrebs. "Das war rückblickend womöglich der Grund, weshalb es sportlich nicht wie erhofft lief", sagte der damalige BVB-Boss Michael Meier, der als einer der ganz wenigen Leute von der Krankheit der Frau Bescheid wusste.

Auch unter dem neuen Coach Matthias Sammer fand der Stürmer in der Saison 2000/01 nicht mehr zurück in die Spur. Er absolvierte zwar ganze 10 Pflichtspiele, hatte jedoch Probleme bei der Lauf-Komponente, auf die der Trainer viel Wert legte. 2001 wechselte Ikpeba schließlich zu Real Betis und beendete das Kapitel BVB.

Noch als Dortmund-Spieler gab Ikpeba der L’Equipe 2001 ein skandalöses Interview, wo er mit allen abrechnete: "Man hat mich zerstört und die Presse genutzt, um skandalöse Dinge über mich zu verbreiten. So etwas habe ich noch nie erlebt. Ich bin Afrikaner. Wenn ich zur Nationalmannschaft gereist bin, schrieb die Presse, ich wäre in den Ferien. In der Kabine beschwerten sich die Spieler, es seien zu viele Schwarze im Verein. Als Brasilianer wäre manches sicher besser gelaufen".

Auch vom Entgegenkommen seitens der Borussia nach dem Tod seiner Frau war der Stürmer alles andere als beeindruckt: Er fand, dass man ihn nur aus Mitleid spielen ließ, um ihn zu trösten.

"In Frankreich darfst du leben, wie du willst – hier nicht. Als ich kam, war ich eine Persönlichkeit, hatte Temperament und lachte gerne. Das alles wollte man zerstören, um mich den anderen gleichzumachen. Sie brachen meinen Stolz", so Ikpeba weiter. Michael Meier wies diese Vorwürfe Jahre später zurück: "Das ist völlig substanzlos. Er wurde genauso menschlich behandelt, wie es für alle Spieler bei Borussia Dortmund galt".

"Monaco ist eine Traumwelt. Dort gibt es keinen Druck. Er hatte in Monaco einen unglaublichen Stellenwert, den er sich in Dortmund nicht erarbeiten konnte", erklärte Meier. "Wenn du nicht alles gibst, die Tore nicht machst, hast du keine Argumente bei den Zuschauern."

Ikpeba fand sportlich nicht mehr zurück. Er versuchte es noch einmal in Libyen, Belgien und Katar, ehe er 2005 seine Profi-Karriere endgültig beendete. So blieb der Nigerianer den Borussen als Skandalprofi und ein großes Missverständnis in Erinnerung.

VerfasserSenseny SeligerQuelleGoal
-3