Zog mit Gerd Müller gleich und ein Jahr später - an ihm vorbei: Die herausragende Karriere von Jupp Heynckes

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Zog mit Gerd Müller gleich und ein Jahr später - an ihm vorbei: Die herausragende Karriere von Jupp Heynckes

Jupp Heynckes wurde in Mönchengladbach gleich nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs geboren - am 9. Mai 1945. Er wuchs in einer armen Familie auf, wo er das neunte Kind war. Insgesamt hatten die Eltern zehn Kinder, neun davon waren Mädchen.

Als Kind trieb Jupp nicht nur Fußball, sondern auch Hockey. Wenn diese Sportart damals in Deutschland genauso beliebt wäre wie Fußball, gäbe es jetzt vielleicht nicht den legendären Fußballer und Trainer Jupp Heynckes. Doch die Liebe zum Fußball war stärker. Kein Wunder: Wenn dein Kindheitsidol Fritz Walter ist und du zusiehst, wie die deutsche Nationalmannschaft die WM 1954 gewinnt, ist es schwer zu widerstehen.

Seine Fußballkarriere begann Heynckes beim Verein Grün-Weiß Holt, wo er von 11 bis 17 Jahren spielte. Den Erinnerungen der Augenzeugen zufolge fiel Jupp bei Freundschaftsspielen gegen Borussia Mönchengladbach sofort auf. Herbert Laumen, ein Gladbach-Spieler der 60er, erzählte, dass Heynckes niemals aufgab, bis zur letzten Minute kämpfte und immer Tore schießen wollte. Dies reichte jedoch nie aus und am Ende kassierte Grün-Weiß eine zweistellige Anzahl an Toren. "Wir haben sofort bemerkt, dass Jupp bei einer besseren Mannschaft spielen muss. Glücklicherweise kam er zu uns", erinnerte sich Laumen.

1962 wechselte Heynckes zu Borussia Mönchengladbach, wo er die ersten zwei Jahre mit der Jugendmannschaft trainierte. 1964 debütierte er schließlich im Profi-Fußball. Damals spielte Gladbach noch in Liga 2 und war in der Aufbauphase. Der Cheftrainer begann, mehr auf die Jugend zu setzen, weshalb die Gladbacher den Spitznamen "Fohlen" erhielten.

Von dieser Entscheidung des Trainers profitierte Heynckes und in seiner Debütsaison knipste er unglaublich 23 Tore in 25 Spielen. Mit seiner Leistung verhalf er den Gladbachern enorm zum Aufstieg.

Im August 1965 schnürte Jupp in seinem zweiten Spiel einen Doppelpack - den ersten im deutschen Oberhaus. Der zweite ließ nicht lange auf sich warten - eine Woche später versenkte der Stürmer gegen Karlsruhe erneut zwei Bälle im Tor. Hennes Weisweiler, Gladbach-Coach von 1964 bis 1975, vertraute seiner Jugend, und Jupp insbesondere, und die Spieler zahlten dieses Vertrauen zurück.

In seiner ersten Bundesliga-Saison kam Heynckes auf 11 Tore - neben zwei Doppelpacks schaffte er noch einen Hattrick (beim 8:3 gegen Nürnberg am 12. März 1966). In seiner zweiten Bundesliga-Spielzeit schoss der Stürmer 15 Tore in 30 Spielen. Auch in jener Saison gelang ihm ein Dreierpack - diesmal traf es Schalke.

Hennes Weisweiler baute sein Team und war außer sich vor Wut, als er erfuhr, dass Heynckes zu Hannover 96 wechseln möchte. Man sagt, dass er deswegen ein ganzes Jahr lang mit Jupp nicht gesprochen hat. Seine Reaktion war verständlich - schließlich war er es, der das Talent des jungen Spielers erkannt hatte.

Bei Hannover hörte Heynckes mit dem Toreschießen nicht auf, doch es lief nicht so ganz wie erwartet: In drei Saisons kam er nur auf 25 Tore. Hannover schaffte es nicht, oben in der Tabelle mitzuspielen und Jupp beschloss, zu Gladbach zurückzukehren.

Eine Rückkehr war allerdings nicht so leicht. Beim Spiel zwischen Hannover und Gladbach brach sich Fohlen-Verteidiger Heinz Wittmann im Zweikampf mit Heynckes das Bein. Ein Teil der Spieler war gegen die Rückkehr von Heynckes. Deshalb führte Weisweiler eine Abstimmung in der Mannschaft durch, wo sich die Mehrheit für eine Wiederkehr aussprach.

Jupp verließ einen Klub aus dem Tabellen-Mittelfeld und schloss sich einer Sieger-Mannschaft an, denn 1970 wurde Gladbach erstmals Deutscher Meister. Heynckes gelang schon im zweiten Spiel nach seiner Rückkehr der erste Treffer. In dieser Saison (1970/71) schoss er in 33 Spielen 19 Tore und Gladbach schaffte als erster Bundesliga-Klub die Titelverteidigung.

Am Ende der Saison 1971/72 sprang für die Fohlenelf nur Platz 3 heraus. Es war praktisch unmöglich, die Bayern zu bezwingen. Gerd Müller schoss unglaubliche 40 Tore - Heynckes konnte mit seinen 19 Treffern nicht mithalten.

1972 wurde Heynckes mit Deutschland Weltmeister. Er stand alle 7 Spiele auf dem Platz, doch konnte kein einziges Tor erzielen. Dennoch war er ein sehr wichtiger Bestandteil der Mannschaft.

Jupp war immer ein bescheidener Typ, aber er hasste es, zu verlieren. Daher arbeitete er noch härter an sich und am Ende der Saison 1972/73 hatte er schon 28 Tore auf seinem Konto. Er erzielte somit alle 106 Minuten einen Treffer. Da er in dieser Spielzeit noch 5 Assists verzeichnete, sammelte er also fast jedes Spiel einen Scorerpunkt.

Mit 7 Toren in 9 Spielen schoss Heynckes 1972/73 die Gladbacher im DFB-Pokal zum Titel. Im UEFA-Cup schaffte es die Mannschaft bis ins Finale, wo sie sich aber Liverpool geschlagen geben mussten. Damals gab es im Finale ein Hin- und Rückspiel. In England wurde Gladbach mit 0:3 deklassiert. Das Duell schien schon gelaufen zu sein, doch Heynckes hatte noch etwas zu sagen. Im Rückspiel schnürte er einen Doppelpack und schenkte Gladbach die Hoffnung auf ein Wunder. Doch am Schluss reichte es nicht - es blieb beim 2:0.

Am letzten Spieltag der Saison 1973/74 besiegte Gladbach Bayern mit 5:0. Heynckes erzielte zwei Treffer und teilte sich die Torjäger-Kanone mit Gerd Müller.

Bei der Heim-WM 1974 war Jupp auch dabei, doch verletzungsbedingt reichte es nur für zwei Einsätze. "Ich war Stammspieler bei der deutschen Nationalmannschaft, die um den WM-Titel kämpfte, aber ich hatte gerade eine Verletzung hinter mir", erinnerte sich Heynckes. "Daher saß ich den Großteil des Turniers auf der Bank. Das war die größte Enttäuschung in meinem Leben, aber das hat mich angespornt und wurde zur größten Motivationsquelle für mich."

In der nächsten Saison wurde der übermotivierte Stürmer mit 27 Toren endlich alleiniger Torschützenkönig in der Bundesliga. Gladbach wurde Meister und gewann den UEFA-Cup. Jupp führte die Fohlen praktisch im Alleingang zum internationalen Titel: Er erzielte 11 Tore, 3 davon im Finale gegen Twente.

Das war zugleich das letzte Spiel von Gladbach unter Hennes Weisweiler. Heynckes sah ihn als Vorbild und sein Abgang hatte auch eine Auswirkung auf die Leistung des Stürmers. In der ersten Saison nach dem Trainerwechsel verteidigt Gladbach den Bundesliga-Titel, Jupp bestreitet nur 24 Spiele, doch trifft im Durchschnitt jede zweite Partie.

Die Saison 1977/78 war die letzte für Heynckes bei Gladbach. In 21 Spielen schoss er 18 Tore, doch diese Statistik sah vor dem letzten Bundesliga-Spieltag noch ganz anders aus. Nach 33 Spieltagen hatten Gladbach und Köln die gleiche Punktzahl. Laut der damaligen Regel entschied in diesem Fall die bessere Tordifferenz. Vor dem letzten Spieltag betrug sie bei Köln 40 und bei Gladbach 30. Die Fohlen mussten also mindesten 10 Tore schießen. "Unmöglich", würde jeder sagen. Aber nicht Heynckes.

"Von der Bank fragte man uns, wie viele Tore wir noch benötigen, um an Köln vorbeizuziehen", erinnerte sich Jupp. "Zu diesem Zeitpunkt führten wir bereits mit 9:0. Sie sagten, dass wir noch mindestens drei Treffer brauchen, worauf ich erwiderte: "Spinnt ihr?"." Gladbach gewann 12:0 und Heynckes erzielte 5 Treffer. Doch auch das reichte nicht aus, denn Köln gewann sein Spiel mit 5:0. Gladbach verpasste die vierte Meisterschaft in Folge, aber mit einem Fünferpack krönte Heynckes seine herausragende Karriere - das Spiel war nämlich sein letztes als Fußballprofi.

Jupp war ein einzigartiger Fußballer. Er war nicht - wie Müller - von einem anderen Planeten. Aber er ist ein Beispiel für Tüchtigkeit - er arbeitete hart an sich und war stets bescheiden. Diese Eigenschaften zeichneten ihn auch später als Trainer aus, weshalb er in dieser Rolle ebenfalls sehr erfolgreich wurde.

Heynckes mag nicht Medienpräsenz. Deshalb war und ist von ihm nie viel zu hören. Aber genau diese Eigenschaften machten ihn zu dem Menschen, der er ist. Zum Spieler, der in der Liste der besten Bundesliga-Torjäger auf Platz 4 hinter Gerd Müller, Klaus Fischer und Robert Lewandowski liegt. Und zum Trainer, der dem FC Bayern zu Hilfe eilt, wenn es mal schlecht läuft.

Alles Gute zum Geburtstag, Jupp!

VerfasserSenseny SeligerQuelleTribuna.com
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