Loch in der Jeans, Unpünktlichkeit, Raucher: Wie der HSV Jürgen Klopp ausspionierte

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Loch in der Jeans, Unpünktlichkeit, Raucher: Wie der HSV Jürgen Klopp ausspionierte

Anfang 2008 suchte der Hamburger SV nach einem neuen Trainer, nachdem Huub Stevens seinen Abgang im Sommer angekündigt hatte. Ein Kandidat war Jürgen Klopp, der damals mit Mainz in der 2. Liga um den Aufstieg spielte.

Der HSV-Vorstand reiste daher zum Vorstellungsbesuch in Jürgen Klopps Haus in Mainz. Während die anderen beiden Vorstandsmitglieder Klopp von den Möglichkeiten in Hamburg vorschwärmten, blieb Sportchef Dietmar Beiersdorfer zurückhaltend. Teilnehmern zufolge soll er daran gezweifelt haben, ob ein Trainer mit dem Spitznamen "Kloppo" zu einem Traditionsverein wie HSV passen würde. Klopp antwortete demnach lächelnd: "Haben Sie nicht einen Sportdirektor namens Didi?".

Daher entschied sich der HSV zu einer geheimen Observierung der Kandidaten: Außer Klopp zählten Fred Rutten (damals PSV Eindhoven), Christian Gross (FC Basel) und Bruno Labbadia (Greuther Fürth) dazu. Die Spione beobachteten die Kandidaten von morgens bis abends und erstellten Dossiers: Pünktlichkeit, Kleidung und Erscheinen, Auftreten gegenüber Fans und Medien, Training, Taktik, Motivation - dafür wurden von den Scouts Punkte von eins bis vier vergeben. Klopp schnitt ziemlich schlecht ab, die beste Bewertung erhielt Rutten.

"Der HSV hat so eine Art Casting gemacht: flapsiger Umgang mit der Presse, Unpünktlichkeit, Löcher in den Jeans, Raucher", erinnerte sich Klopp später an die Ergebnisse, die die Scouts über ihn gemacht haben. Außerdem wurde sogar sein Markenzeichen, der Drei-Tage-Bart, gegen ihn angeführt. Klopp selbst hat die Ergebnisse erst aus der Zeitung erfahren.

So entschloss sich der HSV, den vermeintlich unseriösen Klopp nicht zu verpflichten. "In unserem Aufsichtsrat kam das Loch in der Jeans nicht gut an. Und wir Vorstände bekamen den klaren Hinweis, dass eine Verpflichtung von Jürgen Klopp keine gute Idee sei", sagte der damalige HSV-Vorstandsboss Bernd Hoffmann.

Klopp war über die vermeintlichen Gründe seiner Ablehnung äußerst verärgert. "Rauchen stimmt leider", gab er zu - alles andere aber nicht. Beispielsweise war es sein Ritual, immer als letzter den Trainingsplatz zu betreten. "Das hat mich damals sehr getroffen. Denn es gibt wahrscheinlich keinen pünktlicheren Menschen als mich."

"Unpünktlich ist eine absolute Unwahrheit. Ich war in meinem Leben nie unpünktlich, wenn ich es irgendwie verhindern konnte. Und was war das Letzte? Flapsig im Umgang mit der Presse. Ja, was soll das?"

Den Spitznamen-Vorwurf konnte Klopp ebenfalls überhaupt nicht nachvollziehen: "Ich finde das nicht respektlos. Als ich bei Mainz als Trainer anfing, waren die Spieler meine Mannschaftskollegen. Am nächsten Tag war ich ihr Trainer. Sollen die mich jetzt mit "Herr Klopp" ansprechen? In Hamburg dachte man, dass sie jemanden, den man mit 'Kloppo' anspricht, nicht respektieren können".

Letztendlich entschied sich der HSV jedoch für keinen der vier Kandidaten, sondern für Martin Jol. Dieser verließ den Klub schon nach einem Jahr und Platz 5. Seitdem hatten die Hamburger 19 Trainer. "Mit Jürgen Klopp hätte die gesamte Entwicklung des HSV sicher einen anderen Verlauf genommen", bedauerte Hoffmann rückblickend.

Nachdem Klopp von den Beschattungen erfahren hatte, rief er bei den HSV-Bossen an: "Ich habe damals gesagt: 'So, Freunde, falls noch Interesse besteht, wollte ich nur mal sagen: no way. Ruft nie wieder an, das mache ich nicht. Ich bin Fußballtrainer und wenn euch solche Sachen wichtig sind, seid ihr die Falschen. Dann können wir nicht zusammenarbeiten'".

"Wer in diesem Geschäft arbeitet, der muss wissen, wie ich arbeite. Da muss ich keinen Scout an die Linie beim Training stellen. Das ist dilettantisch", sagte der Trainer später.

Der Rest ist Geschichte: Klopp übernahm 2008 bei Borussia Dortmund, gewann den DFB-Pokal, zwei Meisterschaften und zog ins Champions League-Finale ein. Mit Liverpool holte er die Premier League und die Champions League.

VerfasserSenseny SeligerQuelleSpox
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