Alkoholiker und Wunder-Trainer: Das traurige Leben von Branko Zebec, der alles hätte gewinnen können

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Alkoholiker und Wunder-Trainer: Das traurige Leben von Branko Zebec, der alles hätte gewinnen können

Sein taktisches Genie war außergewöhnlich, seine einzigartige Geschichte in höchstem Maße tragisch. Zebec führte Bayern München 1969 zum ersten Bundesliga-Titel und wiederholte das Kunststück 10 Jahre später gegen alle Widerstände mit Hamburg.

Er beeinflusste die Karrieren zahlreicher Superstars, und Paul Breitner - einer von nur vier Spielern in der Geschichte, die in zwei WM-Finalen getroffen haben - bezeichnet ihn als den besten Trainer, mit dem er zusammengearbeitet hat.

Zebec war ein zäher und komplexer Mensch, der sich selbst als Diktator bezeichnete und dennoch mit seinen eigenen Problemen zu kämpfen hatte. Er wurde verspottet, weil er während der Spiele auf der Bank eingeschlafen war, und erschien bei Pressekonferenzen betrunken, wobei er oft bizarre Kommentare gab.

Sein Beitrag zur Etablierung der Bayern als eine der wichtigsten Kräfte im europäischen Fußball kann nicht hoch genug eingeschätzt werden, aber seine Karriere - und auch sein Leben - endete vorzeitig aufgrund einer verzweifelten Alkoholsucht.

Wer sich an Zebec erinnert, schätzt rückblickend seine positiven Seiten. Nehmen wir zum Beispiel den legendären Bayern-Torhüter Sepp Maier.

"Als die Bayern 1969 die Bundesliga und den Pokal gewannen, war das der Beginn dessen, was der Club heute ist", erzählt er BBC Sport.

"Zebecs Anteil daran war gewaltig. Er legte den Grundstein und spielte eine wichtige Rolle dabei, Bayern zu einem Spitzenclub zu machen. Er war der beste Taktiker."

Dieser besondere Double-Erfolg von 1968/69 war unerwartet.

Die Bayern galten damals nicht als Spitzenclub. Seit ihrem ersten nationalen Titel 1932 in der Vor-Bundesliga-Ära kämpften sie nicht mehr ernsthaft um die deutsche Meisterschaft. Nachdem der Präsident Wilhelm Neudecker im Sommer 1968 einen vielversprechenden jungen Kroaten zum Trainer ernannt hatte, musste sich schnell alles ändern.

Zebec war damals 39 Jahre alt und wurde von seinem Vorgänger Zlatko Cajkovski empfohlen. Die beiden sind in den 1950er Jahren Schlüsselspieler von Jugoslawien gewesen, und Cajkovski respektierte seinen Teamkollegen. Zebec war Jugoslawiens Kapitän bei der Weltmeisterschaft 1958.

Neudecker glaubte, dass Bayern eine richtig starke Persönlichkeit brauchten, um zu einer siegreichen Mannschaft zu werden, aber selbst er war über die Entschlossenheit von Zebec verblüfft.

Die Veränderungen gingen schnell vonstatten. Zebec führte einen geduldigen Passstil ein, den der erfahrene SportBild-Journalist Raimund Hinko als "Tiki-taka vor seiner Zeit" bezeichnet. Er fand die beste Position für Hans-Georg Schwarzenbeck, indem er einen Linksverteidiger zu einem der besten Innenverteidiger der Welt machte, der ein Top-Duo mit Franz Beckenbauer bildete.

Für Zebec war die Verteidigung wichtiger als der Angriff, und seine Bayern waren in einer Liga, die an sehr offenen Fußball gewöhnt ist, eher eine Ausnahme. Er war jedoch auch daran interessiert, das Beste aus Gerd Müllers Fähigkeiten im Strafraum herauszuholen, und der Stürmer entwickelte sich zum Torschützenkönig und erzielte in 30 Bundesligaspielen 1968/69 30 Tore.

Diese Mischung führte zu einem sehr überzeugenden Titelgewinn, denn die Bayern lagen acht Punkte vor Aachen. "Es war eine echte Überraschung, die mit nur 13 Spielern in der gesamten Saison unglaublich gut gelungen ist", sagte Hinko.

Fitness war entscheidend. Zebecs körperliche Trainingseinheiten waren notorisch hart.

"Er zwang seine Spieler zu sehr langen Laufaktivitäten, sogar im Tiefschnee. Es war so anstrengend, dass sie in Ohnmacht fielen", fügt Hinko hinzu.

"Branko war eine schwierige und eigensinnige Person - eine absolute Autoritätsperson. Aber er konnte in Gesprächen auch sensibel und freundlich sein. Er war ein introvertierter Mann mit einem schwachen Lächeln und einem feinen Sinn für Humor. Er mochte auch Alkohol. Wein, Bier, Cognac, Wodka, Rum."

Viele Trainer tranken damals gerne, und die Schwere von Zebecs Problem war nicht sofort offensichtlich. Es war einfacher, sich darüber lustig zu machen. Zebec erhielt hinter seinem Rücken den Spitznamen Fernet-Branko - nach der italienischen Magenbitter-Marke Fernet-Branca.

Zebec litt jedoch an Diabetes und durfte nach einer schwierigen Bauchspeicheldrüsenoperation 1970 überhaupt keinen Alkohol trinken. Seine Sucht war destruktiv, eine schwere Krankheit, die nicht ernst genug genommen wurde.

"Wir respektierten ihn, ob er betrunken war oder nicht", erinnert sich Breitner, der später unter Zebec bei der Eintracht Braunschweig 1977 spielte.

"Ich hatte das Glück, mit vielen großen Spezialisten zusammenzuarbeiten, darunter Miljan Miljanic und Udo Lattek, aber Zebec war der beste Trainer", sagte er.

"Andere, wie Beckenbauer und Müller, würden das auch sagen. Branko war hart, aber korrekt und fair. Er behandelte alle gleich und machte keinen Unterschied zwischen großen Stars und jungen Spielern. Er mag ein Diktator gewesen sein, aber er war ein guter Diktator."

"Er war unberechenbar. Manchmal wurden zwei Trainingseinheiten angesetzt, aber dann gab er bekannt, dass sie abgesagt wurden, und wir saßen nur da und tranken Kaffee. Branko war anders. Es gab niemanden wie ihn, und ich liebe Menschen, die anders sind."

"Seine Probleme waren allen bekannt, und sie fingen wieder bei Bayern an, aber es war nicht unsere Aufgabe, ihm zu helfen."

Diese Probleme waren jedoch nicht der Grund für die Entlassung von Zebec im März 1970. Sein Stil war einfach viel zu autoritär. Er bestand darauf, alle Entscheidungen selbst zu treffen - und das machte Präsident Neudecker und Teammanager Robert Schwan das Leben schwer.

Solange die Bayern an der Spitze standen, wurde ein solches Verhalten toleriert, aber die Führung nutzte die erste Gelegenheit, Zebec loszuwerden, als sich die Ergebnisse in der nächsten Saison leicht verschlechterten. Borussia Mönchengladbach gewann in dieser Saison den ersten Titel auf Kosten der Bayern, angeführt vom Genie Gunter Netzer - ein Mann, der Zebec sehr schätzte, auch wenn er nie unter ihm spielte.

Acht Jahre später wurde Netzer erfolgreicher Sportdirektor in Hamburg, und seine wichtigste Entscheidung war die Ernennung von Zebec zum Trainer im Sommer 1978, als sich der Klub in einer tiefen Krise befand. Hamburg hatte den 10. Platz belegt, wirkte unorganisiert, und Kevin Keegan - erst ein Jahr zuvor von Liverpool gekauft - stand kurz vor dem Aus.

Zebec hatte die dazwischen liegenden Jahre ohne große Erfolge bei Stuttgart und Hajduk Split verbracht, bevor er 1974 zu Braunschweig kam.

Aber genau wie bei Bayern wirkte er auch in Hamburg sofort. In seiner Debütsaison gewann die norddeutsche Mannschaft den ersten Bundesliga-Titel auf die unglaubliche Art und Weise. Keegan erzielte 17 Tore und gewann 1978 und 1979 den Ballon d'Or.

Felix Magath erinnerte sich: "Niemand wusste, wo wir landen würden, und einige befürchteten sogar, dass wir absteigen. Nicht einmal der optimistischste aller Fans wagte es, vom Titelgewinn zu träumen."

"Zebec war der Hauptgrund für unseren Erfolg. Der Sieg war seine einzige Priorität, und er hat uns beigebracht, wie wir spielen müssen, um dies zu erreichen. Er war sehr intelligent. Er hat aus einer durchschnittlichen Mannschaft eine der besten in Europa gemacht."

Die Trainingseinheiten von Zebec waren weiterhin extrem hart.

"Unser Trainingsplatz in Ochsenzoll hatte die Größe von vier Fußballfeldern", sagte Jimmy Hartwig, Magaths junger Teamkollege im Hamburger Mittelfeld.

"Zebec zwang uns, bei 35 Grad 60 Runden um den Platz zu laufen. Es war extrem schwierig, aber wir wussten, dass unser Spiel solcherweise zu verbessern ist. Er war einer der ehrlichsten Männer, die mir je begegnet sind. Obwohl er streng war, war er für mich eine Vaterfigur und er wusste mir zuzuhören. Branko war der Held unseres Titelgewinns."

In seiner zweiten Saison in Hamburg führte Zebec den Klub fast bis zum Europapokal 1980. Im Finale in Madrid traf der deutsche Meister auf Nottingham Forest, doch die Mannschaft von Brian Clough erzielte ein frühes Tor und konnte trotz der besten Bemühungen Hamburgs die weiße Weste holen."

Die italienische Zeitung La Gazzetta dello Sport fasste das Ereignis amüsant mit den Worten zusammen: "Forest hat gezeigt, wie englische Mannschaften Catenaccio umsetzen können".

Magath sagte: "Es besteht kein Zweifel, dass Zebec und Clough die einflussreichsten Trainer ihrer Zeit waren. Man kann sie als zwei starke Persönlichkeiten vergleichen, die ihre eigenen Ideen hatten und ihren Prinzipien folgten. Sie verteidigten ihre Ansichten sogar gegen die Vorsitzenden ihrer Vereine."

Während Clough den Europapokal holte, blieb Zebecs größter Erfolg auf dem Kontinent der stupende 5:1-Erfolg gegen Real Madrid im Rückspiel des Halbfinales.

Zebec war nirgends zu sehen, als der Mannschaftsbus zum Westfalenstadion ankam, weil er betrunken war und verschlafen hatte. Als er aufwachte, beschloss er, selbst nach Dortmund zu fahren, nur um von der Polizei angehalten zu werden, die in seinem Blut einen Blutalkoholspiegel von 3,25 Promille entdeckte - Menschen werden normalerweise ohnmächtig, wenn sie so betrunken sind.

Das Auto wurde beschlagnahmt, aber Zebec nahm ein Taxi, kam pünktlich am Stadion an und durfte sich auf die Bank setzen. Das war ein schwerer Fehler, denn Bilder von ihm beim Einschlafen machten große Schlagzeilen.

Bis zu diesem Zeitpunkt hatte der Club Zebecs Sucht irgendwie vor der Öffentlichkeit verborgen, aber jetzt wurde das unmöglich. Der phänomenale Sieg gegen Madrid nur vier Tage später war unter diesen Umständen noch überwältigender, aber der helle Stern des Kroaten fiel genauso schnell, wie er aufgegangen war.

Hamburg beendete die Saison mit leeren Händen und belegte in der Bundesliga mit zwei Punkten Rückstand auf Bayern den zweiten Platz, und die Situation verschlechterte sich. Im Juli, als Zebec völlig betrunken zum Training erschien, erklärte der Verein offiziell, dass "ein weiterer Vorfall ähnlicher Art eine weitere Zusammenarbeit unmöglich machen würde."

Ein solcher Vorfall passierte im Dezember 1980, als Zebec nach einem Sieg gegen den TSV München auf der Pressekonferenz betrunken erschien. Er schob Netzer beiseite, als er auf dem Weg zu seinem Stuhl war, und das war's. Hamburg löste seinen Vertrag auf, und der Sportdirektor war verzweifelt.

"Ich wusste von Zebecs Sucht, bevor ich ihn unter Vertrag nahm, aber ich verstand nicht, was das bedeutete", sagte Netzer später. "Die Geschichte mit Branko hat mich mehr betroffen als alles andere im Fußball. Er war ein großartiger Typ, und deshalb tat es so weh, dass ich ihm nicht helfen konnte."

Die Freunde und Verwandten von Zebec waren verzeifelt, was seine Karriere und sein Leben betrifft. Seine Talente waren breit gefächert - er war ein brillanter Schachspieler, der sich durch sein Studium der Mathematik und Physik auszeichnete. Er war in der Lage, alles im Fußball zu gewinnen, konnte aber den Alkoholismus nicht besiegen.

Zebec ging natürlich nicht kampflos unter. Im Sommer 1981 wechselte er zu Borussia Dortmund, wo er eine bemerkenswert gut organisierte Mannschaft aufbaute und einen eher durchschnittlichen Kader bis zum sechsten Platz und zur UEFA-Cup-Qualifikation führte. Die Fans verliebten sich in ihn, doch der Verein entschied sich gegen eine Verlängerung seines Einjahresvertrags. Die anhaltenden Probleme außerhalb des Platzes waren viel zu gravierend, um sie zu ignorieren.

Zebec verließ seinen letzten deutschen Klub, Eintracht Frankfurt, im Oktober 1983. Während einer Niederlage bei Hertha Berlin konnte er nicht auf seinem Platz bleiben und verschlief die meiste Zeit des Spiels. Frankfurt reagierte schnell.

Um einen Skandal bei der Pressekonferenz nach dem Spiel zu verhindern, wickelte der Assistent Zebec in einen Teppich und schmuggelte ihn an den Journalisten vorbei aus dem Stadion. Niemand bemerkte, als der Teppich in den Bus verladen wurde. Es war ein grotesker und katastrophaler Ausstieg aus dem Fussball für einen Mann, dessen Genie ihn bis an die Spitze hätte bringen können.

Sein Einfluss lebte weiter, zumindest was Magath betraf. Der Mittelfeldspieler wurde selbst zu einem harten und anspruchsvollen Trainer, gewann mit Bayern zwei Bundesliga-Titel und führte Wolfsburg zum sensationellen Liga-Triumph 2009.

"Zebec war die wichtigste Person in meiner Karriere, und seine Ideen bildeten definitiv die Grundlage für meine Arbeit als Trainer", so derTrainer. "Wie Branko strebte ich danach, Teams durch harte Arbeit weiterzuentwickeln und Spieler immer persönlich zu verbessern."

Leider war Zebec nicht Zeuge von Magaths neuer Karriere. Er starb 1988 im Alter von 59 Jahren, geschlagen vom einzigen Feind, den er je gefürchtet hat.

VerfasserDmytro KrasiukQuelleTribuna.com | BBC
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