Von der Entlassung von Hoffenheim zum Triple mit Bayern: Hansi Flick und die Kunst der Geduld

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Von der Entlassung von Hoffenheim zum Triple mit Bayern: Hansi Flick und die Kunst der Geduld

Flicks Trainerkarriere begann 1996 als Spielertrainer von Viktoria Bammental in der fünften Liga Deutschlands, und im Juli 2000 wurde er als neuer Cheftrainer von Hoffenheim vorgestellt. In seiner ersten Saison beim Klub führte der damals 36-jährige Flick die Kraichgauer zum Aufstieg in die 3. Liga. Nach 4 gescheiterten Versuchen in Folge, die 2. Bundesliga zu erreichen, wurde er jedoch am 19. November 2005 seines Amtes enthoben.

Viele Trainer wären einfach so schnell wie möglich in eine andere Führungsrolle gewechselt und hätten versucht, sich nach einer Entlassung zu bewähren. Flick hingegen wählte einen anderen Weg. Er entschied sich für Geduld und versuchte zu verstehen, was er in Hoffenheim falsch gemacht hatte und wie er sich verbessern konnte.

Seine nächste Rolle war die eines Assistenztrainers bei Red Bull Salzburg unter dem großen Giovanni Trappatoni. Obwohl er 2006 nur einige Monate dort war, absorbierte er unter dem italienischen Vordenker ein neues taktisches Wissen, das er mitnehmen würde, wenn er eine Stelle als Co-Trainer von Joachim Löw in der deutschen Nationalmannschaft antrat.

Flick hat dazu beigetragen, eine neue Welle von deutschen Spielern wie Mesut Özil, Manuel Neuer, Thomas Müller, Jerome Boateng und Toni Kroos in die Nationalmannschaft zu bringen. Deutschland verlor 2008 im EM-Finale gegen Spanien und dann im Halbfinale der WM-2010 gegen denselben Gegner. 2012 erreichten sie wieder Halbfinale der EM, trafen aber auf Italien mit dem jungen Mario Balotelli. Nur bei der Weltmeisterschaft 2014 in Brasilien ernteten sie endlich den Ruhm.

Nach 8 Jahren als Löws Co-Trainer wurde Flick zum Sportdirektor des Deutschen Fußballbundes ernannt, wo er sich in einer Hinterzimmerrolle die Zähne ausbeißen und sich in die Verwaltung der Mannschaften einarbeiten konnte. Flick kehrte für eine kurze Zeit als Managerdirektor nach Hoffenheim zurück, bevor er eine Assistenzstelle unter Kovac übernahm.

Ein schlechter Saisonstart, verbunden mit einer demütigenden 1:5-Niederlage gegen Eintracht Frankfurt, führte dazu, dass der Bayern-Vorstand nach monatelanger, unterdurchschnittlicher Form Kovac entließ. 14 Jahre nach seinem letzten Job als Cheftrainer in der 3. Liga übernahm Flick die Kontrolle über den größten Klub des Landes, unter dem Druck, ihn zurück zum Champions-League-Ruhm zu führen.

Flick änderte die Formation der Bayern von 4-3-3 zu 4-2-3-1, brachte Müller zurück in die Startelf und gab ihm eine entscheidende Rolle in der Position der Nummer 10. Der Raumdeuter stand unter Kovac kurz vor dem Abgang von Bayern, da der Kroate auf der offensiven Mittelfeldposition den ausgeliehenen Philippe Coutinho bevorzugte. Müller knackte Kevin De Bruynes Bundesliga-Rekord an Assists in einer einzigen Saison und lieferte 21 Assists.

Kurz nach seinem Amtsantritt in Bayern war Flick nach den Langzeitverletzungen von Niklas Süle und Lucas Hernandez gezwungen, zu improvisieren. Er entschied sich, den Österreicher David Alaba auf der Innenverteidiger-Position einzusetzen und das von Kovac begonnene Experiment mit dem Youngster Aphonso Davies als Linksverteidiger fortzusetzen. Das Ergebnis? Mit 32 Siegen in den letzten 35 Spielen und durchschnittlich mehr als 3 Toren pro Spiel - der höchsten Torquote in der Vereinsgeschichte - gewannen die Bayern rekordverdächtig die Liga. Die Erfolge in dem DFB-Pokal und der Champions League folgten - und die Bayern gewannen unter Flick nach 7 Jahren wieder das Triple.

Der Erfolg von Flick beim FC Bayern sollte allen jungen Trainern, die aus einem Verein entlassen werden, eine Lehre sein: Es ist keine Schande, einen Schritt zurückzutreten und über den Job des Trainers mehr zu lernen. Im heutigen Spiel gibt es zu viele Ex-Spieler, die sich nicht die Zeit nehmen, das zu machen, und die sich sofort einen Job suchen, ohne sich der großen Unterschiede zwischen Spieler und Trainer bewusst zu sein. Viele Ex-Profis haben das Gefühl, dass sie einen Anspruch darauf haben, eine Mannschaft allein aufgrund ihrer Spielerkarriere leiten zu dürfen.

Das Lehrbuchbeispiel für diesen übereifrigen Ex-Profi findet sich bei Gary Neville. Nachdem er als Co-Trainer von Roy Hodgson bei der katastrophalen Weltmeisterschaft 2014 in England gedient hatte, nahm er einen Job als Cheftrainer von Valencia an und kam ohne Spanischkenntnisse und ohne vorherige Erfahrung als Cheftrainer nach Mestalla. Für Neville ging es schnell bergab, und als er entlassen wurde, hatte er nur 3 von 16 Ligaspielen gewonnen, wobei Valencia nur 6 Punkte über der Abstiegszone lag.

Die mangelnde Geduld ehemaliger Spieler bei der Erlangung von Stellen im Management ist auch auf die Vereine zurückzuführen. Zu viele Klubs suchen nach großen Ex-Spielern, die auch ohne Erfahrung Führungspositionen besetzen können. Das jüngste Beispiel dafür kam letzten Monat, als Juventus die Klublegende Andrea Pirlo zum Cheftrainer ernannte.

Geduld ist im modernen Fußball nicht gerade alltäglich. Die Trainer werden schnell entlassen, Projekte werden nach ein paar schlechten Ergebnissen verworfen, und Spieler werden ohne zu zögern verkauft. In all dieser Hektik ist Hansi Flick ein leuchtendes Beispiel dafür, dass Geduld eine Tugend ist. Er hat sich aus dem Rampenlicht des Managements zurückgezogen und im Schatten gelernt. Er ließ sich Zeit und kehrte erst dann zurück, als er sich dazu bereit fühlte.

Damit hat er die Bayern zurück an die Spitze des europäischen Fußballs geführt und gezeigt, dass es auf lange Sicht manchmal vorteilhafter ist, die Nummer 2 zu sein, als die Nummer 1.

Ist Flick aus eurer Sicht nun einer der besten Fußballtrainer der Welt?

VerfasserAnton SeitzQuelleTribuna.com
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