Die Evolution des modernen Verteidigers - eine Analyse

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Die Evolution des modernen Verteidigers - eine Analyse

Die modernen Verteidiger im Fußball unterscheiden sich stark von denen vor 20 oder sogar noch vor 10 Jahren. Das Abwehrspiel hat tatsächlich evolviert und heute versuchen wir, diesen Wandel nachzuverfolgen.

Die Evolution begann mit Pep Guardiola. Seit der Tiki-Taka-Ära legt er großen Wert auf die Technik bei den Verteidigern: Egal auf welcher Position, sie müssen gut mit dem Ball umgehen können. Und obwohl Pep nicht das moderne Abwehrspiel erfunden hat, so hat er doch sehr viele Leute aus der Fußballwelt inspiriert: Zahlreiche Teams versuchten, seinen Stil zu kopieren und dabei kam auch ständig etwas Neues dazu.

Inverser Außenverteidiger

Die Rolle des inversen Außenverteidigers popularisierte Guardiola während seiner Zeit beim FC Bayern. Dabei handelt es sich im Wesentlichen um ein System, bei dem die Außenverteidiger im Mittelfeld mitspielen, wodurch das Spielfeld enger gemacht wird und für die breit agierenden Spieler mehr Räume geschaffen werden.

Wer ist ein inverser Außenverteidiger? Der Innenverteidiger bekommt den Ball und spielt ihn auf die Außenbahn (im abgebildeten Fall - auf die rechte). Der Außenverteidiger muss technisch stark sein, damit er den Ball entlang der Seitenlinie nach vorne befördern und somit die Angriffsphase starten kann.

Sobald der Rechtsverteidiger den Ball bekommt, bieten sich die defensiven Mittelfeldspieler an und ziehen ihrerseits die gegnerischen Spieler aus der Position. Der nächste Pass des Rechtsverteidigers zu seinem Innenverteidiger muss in den Raum vor dem Innenverteidiger gespielt werden, um den Vorwärtsimpuls aufrechtzuerhalten.

Während der Innenverteidiger nun im Ballbesitz ist, rückt der Rechtsverteidiger ins Mittelfeld auf und stellt praktisch einen "freien Spieler" in der Angriffsphase dar. Dadurch wird eine 3-gegen-2-Situation geschaffen und das verteidigende Team ist gezwungen, sich enger aufzustellen, wodurch wiederum die breit agierenden Spieler mehr Freiräume bekommen.

Während seiner Barcelona-Zeit setzte Pep Guardiola im Spiel viele Pass-Dreiecke ein, um den Ball schneller auf dem Platz zu bewegen und um dem Ballführenden Mann mehr Anspielstationen zu bieten. Dieses System war der Schlüssel zur Umsetzung der Rolle des inversen Außenverteidigers.

Bei Bayern hatte Guardiola Spieler wie Philipp Lahm und David Alaba, die nicht nur Weltklasse-Verteidiger, sondern auch technisch begabt waren. Er wusste, dass sie perfekt in dieses Spielsystem passen würden.

Offensiver Außenverteidiger

Im modernen Fußball muss ein Außenverteidiger nicht nur starke Abwehrqualitäten aufweisen, sondern auch in der Offensive mithelfen, wenn nötig. Auf dem höchsten Level sind bei Außenverteidigern heute also sowohl Defensiv- als auch Offensiv-Qualitäten gefragt.

Durch diese zweifache Stärke macht der Außenverteidiger einerseits der gegnerischen Defensive das Leben schwer. Andererseits lässt er hinten Räume offen, wenn er nicht schnell genug zurückkehrt. Dies kann die Mannschaft hinten verwundbarer machen.

Die defensiven Aufgaben des Außenverteidigers sind, unabhängig vom Spielsystem, meistens die gleichen: Die gegnerischen Angriffe so früh wie möglich zu stoppen oder die Flanken in den Strafraum blocken.

Ihre offensiven Aufgaben hängen jedoch vom Spielsystem ab. Beim traditionellen 4-4-2 ist ihr Ziel, die Flügelspieler zu unterstützen, indem sie mit ihnen mitlaufen und schnelle Flanken schlagen. Ein Beispiel für so einen Außenverteidiger-Typus wäre Benjamin Pavard.

Bei einer Formation, wo der Gegner ein enges Mittelfeld hat, z.B. bei einem 4-3-3, sind die Außenverteidiger hauptverantwortlich für die Spielbreite. Durch Dribblings oder Flanken beginnen sie oft die Angriffe ihrer Mannschaft.

Wenn ein Außenverteidiger nach vorne geht, ist es normalerweise die Aufgabe des Flügelspielers oder des defensiven Mittelfeldspielers, die in der Abwehr entstandene Lücke zuzumachen. Dennoch muss der Außenverteidiger natürlich schnellstmöglich wieder auf seine Position zurückkehren.

In der Defensive ist für den Außenverteidiger intelligentes Stellungsspiel von enormer Bedeutung, da seine Position im modernen Fußball wohl die anspruchsvollste ist.

"Philipp Lahm ist vielleicht der intelligenteste Spieler, den ich je trainiert habe", sagte Pep Guardiola einmal. In der Tat ist Lahm der vielleicht letzte "perfekte Außenverteidiger" im Fußball. Ein Abwehrspieler, der in der Defensive genauso stark war wie in der Offensive.

Die Evolution des Innenverteidigers

Der Innenverteidiger hatte früher nur eine Aufgabe auf dem Platz - zu verteidigen. Doch wie auch beim Torhüter und Außenverteidiger hat sich die Rolle des Innenverteidigers rapide verändert.

In den letzten 20 Jahren ist eine neue Art von Innenverteidigern entstanden. Sie hatten immer noch als Hauptaufgabe die Verteidigung, aber sie lasen das Spiel anders, waren ballsicherer. Zweikampfstärke war nicht mehr so wichtig wie die Kontrolle über dem Spielgeschehen in unmittelbarer Nähe.

Paolo Maldini sagte einst: "Wenn ich einen Zweikampf bestreiten muss, habe ich schon einen Fehler begangen".

Die Innenverteidiger wurden allmählich zu ballsicheren Spielern, deren Hauptaufgabe zwar immer noch das Abwehrspiel war, sie aber dadurch stärker wurden, dass sie nun auch den Ball von der Abwehr nach vorne spielen können.

Die ersten Außenverteidiger des neuen Typus waren Italiener, allen voran Maldini und Fabio Cannavaro. Das Abwehrspiel war plötzlich nicht mehr aggressiv, sondern wurde elegant.

Virgil van Dijk, Jerome Boateng und Lucas Hernandez sind einige der besten Beispiele des modernen Innenverteidigers. Sie sind ballstark und können mit Pässen zwischen die Linien die Angriffe ihrer Mannschaft starten.

Lucas Hernandez ist hinsichtlich der Fähigkeit, den Ball vorwärts zu befördern, aktuell einer der besten Verteidiger der Welt. Er spielt sehr schnell mit den Füßen und kann auch sehr schnell umschalten.

Jerome Boateng war vor allem aufgrund seiner Pässe zwischen die Linien wertvoll für Bayern. Seine langen Diagonalbälle waren weltweit bekannt und besonders bei hohem Pressing vom Gegner hilfreich. Solche Bälle zu schlagen wie Boateng, ist eine weitere Dimension des modernen Abwehrspielers.

Dass der Verteidiger im modernen Fußball viel wichtiger geworden ist, bestätigt auch der Transfermarkt: Während die Ablösen für Verteidiger früher immer von denen für die Stürmer überschattet wurden, sind die Werte heute praktisch gleich. Beispielsweise wechselte Harry Maguire für 87 Mio. Euro zu Manchester United, Virgil van Dijk - für 84,65 Mio. € zu Liverpool.

Der Verteidiger im Fußball hat sich somit in den letzten 20 Jahren nicht nur verändert, sondern ist auch viel wichtiger geworden.

VerfasserSenseny SeligerQuelleMunik86 @ Twitter
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