Erinnert ihr euch noch an Tim Wiese? Sein Heimatverein Werder cancelt ihn wegen seiner Freundschaft zu Rechtsextremen

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Erinnert ihr euch noch an Tim Wiese? Sein Heimatverein Werder cancelt ihn wegen seiner Freundschaft zu Rechtsextremen

Traurige Nachrichten von Tim Wiese: Werder, wo der deutsche Torhüter die besten Jahre seiner Karriere verbrachte, hat sich von der Vereinslegende distanziert.

Werder verbannte Wiese wegen seiner Verbindungen zur rechtsextremen Szene. Und wegen Beleidigung einer Stadionordnerin

Anfang April zitierte Sky Sport Radio Bremen und Deichstube mit der Aussage, Werder habe Wiese ein Verbot für Heimspiele erteilt. Grund seien die Verbindungen des Ex-Torhüters zur rechtsextremen Szene in Deutschland. Im Oktober 2022 waren Fotos aufgetaucht, die Wiese in Begleitung von Rechtsextremen zeigten. Dies war der Vereinsführung schon länger bekannt.

Vereinspräsident Hubertus Hess-Grunewald bestätigte dies: "Wir haben mit Tim ein offenes, aber auch sehr ernstes Gespräch dazu geführt und ihm unmissverständlich deutlich gemacht, dass dieser Umgang nicht mit den Werten des SV Werder Bremen zusammenpassen würde."

Zunächst machte Werder nur halbe Maßnahmen: Vor einigen Jahren wurde Tim nicht mehr zu offiziellen Vereinsveranstaltungen eingeladen und durfte in keiner Mannschaft spielen, die mit den Bremern in Verbindung stand. Bis vor kurzem durfte er noch Spiele im Weserstadion besuchen.

Das ist jetzt nicht mehr erlaubt. Laut Deichstube soll Wiese beim Heimspiel von Werder gegen Bayer am 12. März einen Fan beleidigt haben. Bild identifizierte die Betroffene als Ordnerin. Der Spiegel schreibt, Tim habe "die Menschenwürde verletzt".

Wiese hat Werder verklagt. Er will erreichen, dass das bis zum 31. Dezember 2023 geltende Stadionverbot aufgehoben wird. "Der ganze Vorwurf ist konstruiert. Es gab keine Beleidigung. Und dafür gibt es genug Zeugen", sagte der ehemalige Torhüter der Bild-Zeitung.

Werder mochte einen Freund von Wiese nicht - den Besitzer eines Fitnessstudios und eines rechtsextremen Motorradclubs

Heiko Dörfer ist die Figur, die Werder so belastet hat.

Vor dem Abschiedsspiel von Claudio Pizarro im September 2020 tauchten Bilder auf, die Wiese zusammen mit Dörfer zeigten. Tim entschuldigte sich in einem Interview mit der Deichstube: "Heiko betreibt seit 25 Jahren ein Fitnessstudio in Lilienthal. Dort haben wir uns vor Jahren kennengelernt, weil ich dort intensiv trainiere. Wir sind befreundet. Heiko ist nicht rechtsradikal, in sein Studio gehen doch ganz viele Leute - Omas, Opas, alle".

Und hier die Daten von Stern: Dörfer ist nicht nur Besitzer des Fitnessstudios, sondern auch Gründer des rechtsextremen Motorradclubs "Radikal Kameraden Bremen". Auf einem älteren Foto aus dem Jahr 2014 posiert Wiese mit Dörfer und einem dritten Mann. Der 40-Jährige trägt ein schwarzes T-Shirt mit dem Logo des Motorradclubs, das Eichenlaub und Schlagringe zeigt, die beliebtesten Symbole der Rechtsextremen. Dörfer wird auch mit bekannten Neonazis wie Hannes Ostendorf, dem Sänger der Punkrockband Kategorie C, in Verbindung gebracht. Dörfer bezeichnet sich selbst als Patrioten.

Beim Abschiedsspiel von Pizarro waren die Tribünen gespalten, die einen applaudierten Wiese, die anderen buhten ihn aus. Der Verein wollte sich schon von dem Spieler distanzieren, aber Claudio bestand darauf, dass Tim sein letztes Spiel machte.

Wiese bestreitet jegliche Freundschaft mit Rechtsextremisten. Alle Fotos seien zufällig entstanden

Wiese wurde nicht nur mit Dörfer fotografiert.

"Ich glaube, Ende 2021 oder Anfang 2022 tauchten zuvor im Netz zwei oder drei Fotos aus dem Jahre 2021 auf, die mich beim Essen in größerer Runde bei meinem Lieblingsgriechen zeigen", erklärte Tim gegenüber Bild. "Mit dabei zwei Personen, die politisch rechts sein sollen oder der rechten Szene nahestehen. Angesprochen vom Verein habe ich schon damals Werder versichert, dass ich weder rechts bin, noch mit der rechten Szene sympathisiere. Da gab es aber noch keine Sanktionen von Werder gegen mich. Das geschah erst durch ein Foto vom Freimarkt zwei Wochen nach dem Heimspiel gegen Gladbach."

"Dort war ich mit einer großen Gruppe von Freunden zum Feiern. Vor einem Festzelt sprach mich eine Person aus einer anderen Gruppe an, wie es mir hundertfach passiert. Ich kannte die Person und deren Begleiter nicht, habe sie weder zuvor noch danach je getroffen. Wir standen zusammen, führten ein kurzes Gespräch über Werder und das war es auch schon. Von dieser Szene wurde von irgendjemandem ein Foto gemacht und anonym über die sozialen Medien mit dem Vermerk, ‘Tim Wiese schlendert genüsslich mit einem Nazi über den Bremer Freimarkt’ verbreitet."

"Ich bin ein Typ, der polarisiert, so bin ich halt. So war ich schon als Fußballprofi und so bin ich auch privat. Ich habe keine Berührungsängste zu anderen Menschen. Jeder kann zu mir kommen, sich zu mir setzen, mit mir quatschen, Autogramme oder Selfies haben. Dabei hinterfrage ich nicht, welche politische Gesinnung er hat. Ich weiß, dass ich in der Vergangenheit mehr darauf hätte achten sollen, mit wem ich mich umgebe und vor allem hätte ich mich von bestimmten Leuten inhaltlich deutlicher abgrenzen müssen."

Nach den neuen Fotos äußerten sich die Werder-Fans beim Spiel gegen Gladbach mit einem Transparent deutlicher: "Wer mit Nazis abhängt, hat im Weserstadion nichts zu suchen - keine Bühne für Tim Wiese!"

Gegenüber der Bild-Zeitung sagte Wiese: "Ich distanziere mich ganz klar von rechtem Gedankengut. Jeder, der mich näher kennt, weiß, dass mein Freundeskreis zu einem großen Teil aus Menschen mit Migrationshintergrund besteht."

Der Spieler versuchte sogar, sich dem Verein anzunähern und bot an, bei Werders Aktion "Klare Kante gegen rechts" mitzumachen.

Dann erhielt Wiese eine Absage vom Fernsehsender ProSieben, der die Wok-WM ausstrahlt, eine Sportart, bei der ein modifizierter chinesischer Wok in einer Bobrutsche bewegt wird. Der Ex-Torhüter sollte Teil des vierköpfigen Teams sein, wurde aber aus unbekannten Gründen in letzter Minute gestrichen.

Es gibt keine direkten Zitate von Wiese, die die rechtsextreme Bewegung unterstützen, der Hauptkritikpunkt sind die verdächtig häufigen Zufallsfotos mit Radikalen. Werder war der Meinung, das reiche, um Wiese zu canceln.

Dabei war Wiese ein knallharter Torwart. Und versuchte, Wrestler zu werden

Es lohnt sich, daran zu erinnern, was für ein Fußballer Wiese war - eine unbestrittene Legende bei Werder Bremen. In Erinnerung geblieben ist er wegen seiner Exzentrik, die ihm Vergleiche mit Oliver Kahn einbrachte, und wegen seiner ungewöhnlichen Frisur.

Er kam 2005 von Kaiserslautern und absolvierte in sieben Spielzeiten 194 Bundesligaspiele. Unter Thomas Schaaf war Werder eine absolute Offensivmaschine mit durchschnittlich einem Gegentor pro Spiel - ein passendes Kompliment für Wiese. Mit seinen Paraden hielt er der Abwehr, die selbst für Bundesligaverhältnisse nicht die sicherste war, den Rücken frei. Aber es gab auch einige lustige Begebenheiten.

Das größte Kuriosum war das Ausscheiden seiner Mannschaft aus der Champions League 2005/06: In der 90. Minute des Rückspiels führte Werder mit 4:3, doch dann unterlief Wiese ein grober Schnitzer. Emerson bestrafte ihn eiskalt und Werder schied aufgrund der Auswärtstorregel aus.

Wieses Ausflüge aus dem Tor waren immer gefährlich. Einmal hätte er Ivica Olić fast getötet. Nach dem Spiel sagte der Torhüter, er habe den Ball gespielt, dann sei Olic in ihn hineingelaufen, entschuldigte sich aber per SMS bei dem Kroaten. Beckenbauer bezeichnete das Foul als versuchten Mord, in Hamburg wurde sogar ein Strafverfahren eingeleitet, das vier Monate später eingestellt wurde.

Seine persönliche Bestleistung erzielte Wiese im Halbfinale des DFB-Pokals 2008/2009 gegen Hamburg. Im Elfmeterschießen parierte der Deutsche drei Strafstöße in Folge - geschossen von Jérôme Boateng, Ivica Olic und Marcel Janssen. Werder hat sowohl in diesem Spiel als auch im Finale gewonnen. Die größte Trophäe in Tims Karriere.

Wiese spielte auch sechs Mal für die DFB-Elf und gewann bei der Weltmeisterschaft 2010 die Bronzemedaille.

Kurz vor seinem Karriereende erhielt Tim einen Anruf von Real Madrid: "Es war nicht bloß ein Gerücht, wie viele dachten. José Mourinho telefonierte mit mir und wollte mich damals unbedingt zu den Königlichen holen. Er sagte mir, dass er mich haben will, ich mich beweisen kann - und dass es einen fairen Zweikampf mit Iker Casillas geben soll."

Nach seinem Karriereende überraschte Tim viele, als er sich plötzlich für Wrestling interessierte, eine Unterhaltung mit Ringen-Elementen, bei der die Schauspielerei im Vordergrund steht und der Ausgang vorherbestimmt ist.

Im September 2014 verriet Wiese der Bild-Zeitung, dass ihm die amerikanische Wrestling-Promotion World Wrestling Entertainment (WWE) einen Vertrag angeboten habe.

In den ersten eineinhalb Jahren hat er nur an PR-Aktivitäten teilgenommen und ist nicht in den Ring gestiegen. Sein Debüt gab er im November 2016, als er bei einer Houseshow in München ein Dreierteam besiegte. Um noch imposanter zu wirken, hat der ehemalige Torhüter kräftig zugenommen - er wog 140 kg.

Bereits 2017 verließ Tim Wiese die WWE und ist seitdem nicht mehr in den Ring zurückgekehrt. Offizielle Begründung: Er wolle wieder Fußball spielen, seine Wrestlingträume seien auf Eis gelegt. Am 1. Januar 2017 unterschrieb der Torhüter einen Vertrag beim Amateurverein Dillingen, der in der achten Liga spielt. Ein halbes Jahr später verließ Wiese den Verein und beendete seine Karriere.

Zum Wrestling kehrte er nie mehr zurück. In Erinnerung geblieben ist er durch seine seltsamen Bekanntschaften.

VerfasserOleksandr Manov .
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