Bundesliga-Vorschau: Bayerns Krise, Leipzigs große Transfers und Leverkusens Meisterschaftsambitionen

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Bundesliga-Vorschau: Bayerns Krise, Leipzigs große Transfers und Leverkusens Meisterschaftsambitionen

FC Bayern: Dauerkrise unter Trainer Tuchel

Noch peinlicher als das Spiel war die Rede von Thomas Tuchel nach der 0:3-Niederlage im Supercup gegen Leipzig. Der Trainer wirkte ratlos: "Letzte Saison haben wir schon gerätselt. Ich weiß nicht, wieso. Es ist mental. Ich hab keine Ahnung. Ich habe jetzt keine Lösung. Ich bin konsterniert und extrem enttäuscht. Was wir spielen wollen, war gar nicht zu erkennen. Wir spielen seit vier Wochen in der gleichen Grundordnung. Sobald wir was zu verlieren haben, ist es nicht dieselbe Gruppe. Und das ist schlecht."

Es klingt wie etwas von Lovecraft - abstrakt, unverständlich, aber beängstigend. Obwohl die andere Zeile - "Für Kane tuts mir einfach nur leid. Der denkt wahrscheinlich, wir haben vier Wochen nicht trainiert" - wie Monty Python klingt.

Kane ist die Lösung für den Stürmermangel, eines der größten Probleme der Bayern. Die Verletzung von Choupo-Moting im Frühjahr hat die Situation unter Tuchel noch schlimmer gemacht als unter Nagelsmann. Kane ist ein Garant für regelmäßige Tore und spielerische Qualität - kein Mittelstürmer auf dem Markt passt besser zu Bayern als Harry.

Es bleiben also zwei Stellen, um den Kader zu verstärken. Die offensichtliche Schwachstelle ist das Torwartspiel. Neuer ist noch nicht so weit, Sommer an Inter verkauft, Nübel nach Stuttgart ausgeliehen. Nur Ulreich bleibt. Die Bayern-Bosse suchen einen Torhüter, der das Niveau des Stammtorhüters halten kann und in der Reserve steht, wenn Neuer zurückkehrt. Ein gutes Ziel, oder? Der neue Bayern-Vorstandsvorsitzende Jan-Christian Dreesen bestätigte, dass man sich mit Kepa fast einig gewesen sei, Real Madrid aber einen Strich durch die Rechnung gemacht habe. Die Suche geht weiter.

Ein Streitpunkt ist die Sechserposition. Tuchel sagte, die Bayern bräuchten einen defensiven Mittelfeldspieler. De Ligt bestätigte, dass der Verein keinen Spieler mit den richtigen Qualitäten für diese Position habe. "Ich bin ein Sechser", antwortete Kimmich auf die Behauptung des Journalisten, Bayern habe keinen defensiven Mittelfeldspieler. Tuchel ist der Meinung, dass neben Kimmich noch ein defensiverer Spieler benötigt wird, der Joshua absichern kann. Weder Laimer noch Goretzka (mit dem Tuchel ein sehr schwieriges Verhältnis hat) sind dafür geeignet. Beide sind ohne Ball zu aggressiv und brauchen ein Sicherheitsnetz.

Man muss sich darüber im Klaren sein, dass ein reiner Zerstörer nicht nur die Defensive stärken, sondern auch das Offensivpotenzial der Bayern schwächen würde. Das Gleichgewicht ist heikel. Tuchel scheint mehr Wert auf eine solide Defensive zu legen. Nagelsmann hat gezeigt, dass das Mittelfeld-Duo Goretzka-Kimmich bei richtiger Aufstellung sowohl defensiv als auch offensiv zu den Besten gehört. Thomas scheint das anders zu sehen.

Man müsste sich schon sehr anstrengen, um die Bayern wirklich stark zu machen. Das haben wir unter Tuchel noch nicht gesehen.

Dortmund verlor Führungsspieler, aber das war nie das Todesurteil für den Verein

Der BVB hat sich Schritt für Schritt verändert: Der ablösefreie Rami Bensebaini (Gladbach) ersetzte den abgewanderten Raphael Guerreiro, das Duo Marcel Sabitzer (Bayern) und Felix Nmecha (Wolfsburg) - Jude Bellingham. Die Spieler haben unterschiedliche Stile: Bensebaini ist in der Offensive nicht so gefährlich wie Guerreiro, dafür aber in der Defensive zuverlässiger, und die Qualitäten von Bellingham sind wohl auch mit fünf Ersatzspielern nicht zu kompensieren. Angesichts der Leistungen von Guerreiro und Bellingham wird Dortmund seine Spielweise also definitiv anpassen müssen.

Dortmund hat eine gigantische Erfolgsbilanz, wenn es darum geht, Führungsspieler zu ersetzen. Vielleicht mehr als jede andere Mannschaft auf der Welt. Ich denke an Erling Haaland: Mit ihm hat Dortmund in der Bundesliga 2020/21 75 Tore geschossen, in der Bundesliga 2021/22 85 Tore und ohne ihn in der Bundesliga 2022/23 83 Tore. Als wäre nichts passiert.

Der BVB setzt auf den wiedergenesenen Sebastian Haller, die explosiven Karim Adeyemi und Donyell Malen auf den Außenbahnen und den kreativen Julian Brandt. Die drei Erstgenannten glänzten in der Rückrunde der vergangenen Saison.

Eine wichtige Aufgabe für Trainer Edin Terzic ist es, den Positionsangriff und die Positionsverteidigung zu verbessern, denn ohne sie wird es schwierig sein, konstant zu gewinnen. Im Frühjahr 2023 gab es Fortschritte im Vergleich zum Herbst 2022, aber ohne Guerreiro und Bellingham wird es wahrscheinlich langsamer gehen. Hier wird sich das Coaching zeigen.

Leipzig hat das größte Transferfenster seiner Geschichte hinter sich. Es sieht gut aus

151,5 Millionen Euro bei den Einkäufen und 240,7 Millionen Euro bei den Verkäufen. Leipzig hat mit Christopher Nkunku, Josko Gvardiol und Dominic Szoboszlai, den drei besten Spielern der vergangenen Saison, viel Geld verdient. Außerdem ging Konrad Laimer, der wichtigste Spieler im Mittelfeld, ablösefrei.

Das Schöne an Leipzig ist, dass die Mannschaft auch nach einem solchen Ausverkauf nicht kaputt aussieht.

Es gibt einen offensichtlichen Ersatz für Gvardiol - Castello Lukeba von Lyon. Ein neuer Stürmer, Loïs Openda, passt zu RBs berühmtem schnellen Umschalten von Defensive auf Offensive. Klassische Verstärkungen kommen aus dem benachbarten Salzburg: Aufbauspieler Nicolas Seiwald und Stürmer Benjamin Šeško. Mit Xavi Simons (PSG) und Fabio Carvalho (Liverpool) wurden zwei Talente von Spitzenklubs ausgeliehen.

Und das ist noch nicht alles, was Leipzig an Neuzugängen zu verzeichnen hat.

Natürlich braucht RB Zeit, um sich einzuspielen. Etwas Zeit, um einige der Neuzugänge zumindest auf Bundesliganiveau zu bringen. Und etwas mehr Zeit, um sie für 60-70-100 Millionen zu verkaufen.

In einem Punkt hat sich Leipzig übrigens schon deutlich verbessert - und das ist die größere Auswahl an Offensivspielern. Daran hat es in der vergangenen Saison deutlich gemangelt.

Union und Freiburg: Geht das Märchen weiter?

Union spielt die dritte Saison in Folge im Europapokal, Freiburg die zweite. In der Bundesliga ist es normal, dass eine Mannschaft aus dem Mittelfeld plötzlich in Europa auftaucht, dann aber meist wieder runtergeht. Union und Freiburg zeichnen sich durch Stabilität aus.

Das sind durch Trainer geprägte Mannschaften. Urs Fischer hat bei Union eine sehr gute Defensive aufgebaut. Natürlich wäre Union ohne Glück und eine überdurchschnittliche Chancenverwertung nicht in die Champions League gekommen, aber mit einer wirklich starken Defensive wären sie immer noch in der Nähe der Europapokale. Verbessern will Fischer auch die Ballbestz-Phase - das hat bisher nicht geklappt, nun sollen Brenden Aaronson (Leihe von Leeds) und David Fofana (Leihe von Chelsea) die Offensive beleben. Außerdem wurden Robin Gosens (Inter) und Kevin Volland (Monaco) verpflichtet. Union hat fast keine Spieler verloren - die Verkäufe beliefen sich auf nur 2,1 Millionen Euro, was für die Bundesliga eher untypisch ist.

Freiburgs Transfers sind das Gegenteil: Nur zwei Neuzugänge für 41,8 Millionen Euro. Trainer Christian Streich wird sich weiterhin auf den Gegner einstellen und sein Konzept von Woche zu Woche ändern. Der Einsatz der Jugend ist wahrscheinlich. Fakt ist, dass Freiburgs zweite Mannschaft in der vergangenen Saison die beste in Deutschland war: Sie belegte den zweiten Platz in der 3. Liga. Wäre die Aufstiegsverbot nicht gewesen, wäre Freiburg II in die zweite Bundesliga aufgestiegen. In der ersten Mannschaft ist Noah Atubolu nun STammtorhüter statt Mark Flekken, der nach Brentford gewechselt ist.

Xabi Alonsos Leverkusen gilt fast schon als Hauptgegner der Bayern. Ist das wirklich so?

Wer das Transferfenster verfolgt, kommt an der Bayer-Kampagne kaum vorbei.

Hier nur die wichtigsten Neuzugänge: Stürmer Victor Boniface von der belgischen Royale Union Saint-Gilloise (übrigens Bayer-Fan seit Kindheitstagen!), die Mittelfeldspieler Granit Xhaka und Jonas Hofmann (jetzt bester Spieler in der Bundesliga, was den letzten Pass geht) sowie Alex Grimaldo von Benfica als ablösefreier Spieler. Insgesamt gab Bayer 57,5 Millionen aus, die durch den Verkauf von Moussa Diaby an Aston Villa für 55 Millionen fast wieder kompensiert wurden.

Leverkusen hat sich objektiv verstärkt. Die Mannschaft brauchte dringend einen Linksverteidiger, einen spielstarken zentralen Mittelfeldspieler und einen Mittelstürmer. Hofmann wird Diaby ersetzen - wahrscheinlich wird Trainer Xabi Alonso mit diesem Transfer vom Konter- zum Positionsfußball wechseln.

Das ist eines der spannendsten Projekte - nicht nur in der Bundesliga, sondern im gesamten europäischen Fußball. Ein Trainer, dem zu folgen Spaß macht, eine Mannschaft, die sich deutlich weiterentwickelt, eine anständige Transferkampagne.

Viele haben vielleicht zu hohe Erwartungen - in Deutschland gibt es genug Meinungen, dass Bayer sofort als Schattenrivale der Bayern wahrgenommen werden kann. Ein realistisches und gutes Szenario: Mit gutem Spiel einen Platz unter den Top 4 sichern, die K.o.-Phase der Champions-League erreichen und sich in Alonsos flexiblem System weiterentwickeln.

Das Wichtigste über andere Vereine

Neuer Trainer der Eintracht ist Dino Toppmöller, Nagelsmanns Assistent bei Leipzig und Bayern und Sohn von Klaus Toppmöller. Toppmöller senior war 2002 Trainer von Bayer, das gleichzeitig die Champions League, die Bundesliga und den DFB-Pokal hätte gewinnen können, es aber nicht tat. Toppmöller junior war bisher nur für Düdelingen in Luxemburg und Virton in Belgien verantwortlich. Kein herausragender Lebenslauf, aber in Luxemburg lernte Dino Französisch und konnte sich mit den Franzosen bei Leipzig und Bayern gut verständigen. Benjamin Pavard nannte Toppmöller einen Top-Trainer. Französisch wird auch bei der Eintracht von Nutzen sein, vor allem wenn Kolo Muani bleibt.

Vor einem Jahr änderte Wolfsburg die Transferstrategie und setzte auf starke junge Talente - keine Wunderkinder, sondern einfach gute Spieler, die sich auf das Niveau einer Europapokalmannschaft entwickeln können. Außerdem holten sie mit Niko Kovac einen neuen, hochbezahlten Trainer. Das erste Jahr verlief gut. Der wichtigste Transfererfolg war der Verkauf von Micky van de Ven für 40 Millionen an Tottenham, der vor Kovac in der Reserve gesessen hatte. In der neuen Saison wird Wolfsburg wahrscheinlich intensiver, disziplinierter und härter spielen, aber es gibt keine Garantie dafür, dass sie im Angriff variabler werden, obwohl diese Variabilität für bessere Ergebnisse unerlässlich ist. Das ist der Fußball von Niko Kovac.

Wie viele gelbe Karten wird der Mainz-Trainer Bo Svensson erhalten? Mit 13 Verwarnungen ist er historischer Rekordhalter, obwohl es Karten für Trainer erst seit der Saison 2019/20 gibt und Svensson erst seit Mitte der Saison 2020/21 Trainer von Mainz ist. Ein nicht unerheblicher Teil der Karten sind sarkastische Applause für die Schiedsrichter. Damit kann man leben, wenn Mainz für alle ein sehr unbequemer Gegner bleibt. Sie haben das Potenzial, so etwas wie Freiburg zu werden.

Wohin steuert Gladbach: zurück in den Europapokal oder doch eher in den Abstiegskampf? Alle Leistungsträger sind weg: Hofmann, Thuram, Stindl, Bensebaini. Das Traurige ist, dass drei der vier umsonst gegangen sind - schwaches Management. Aber Gladbach hat im Gegenzug aktiv günstige Spieler verpflichtet. Der interessanteste Transfer ist Franck Honorat von Brest für 8 Millionen, der zum Konterfußball von Gerardo Seoane passen soll. Das ist übrigens eine weitere Mini-Intrige: Gladbachs Spiel wird sich stark verändern - Daniel Farkes langer Ballbesitz wird durch Seoanes schnelle Angriffe ersetzt.

Den am meisten unterschätzten Verlust hat Köln zu beklagen: Innenverteidiger Ellyes Skhiri wechselt ablösefrei zur Eintracht. Skhiri war in der vergangenen Saison der laufstärkste Spieler der Bundesliga, spielte eine entscheidende Rolle beim Druck des Gegners und traf regelmäßig nach Standards. Einen offensichtlichen Nachfolger gibt es nicht. Ohne einen Spieler vom Typ Skhiri könnte es für Köln sehr schmerzhaft werden, da man sich weiterhin auf die Fitness und Körperlichkeit fokussiert.

Für Taktikfans dürfte Hoffenheim spannend werden. Trainer Pellegrino Mattarazzo steht für kurze Wege vor dem Tor, ein dem Gegner angepasstes Pressing und das obligatorische Experimentieren mit Spielern auf Nicht-Stammplätzen. Besonders interessant ist die Rückkehr von Innenverteidiger Florian Grillitsch, der vor einem Jahr Hoffenheim verließ, wegen finanzieller Forderungen keinen Verein fand, einen Vertrag bei Ajax unterschrieb, nicht spielte und nun wieder bei Hoffe ist. Er scheint wie geschaffen für Matarazzos Spielweise.

Werder hat mit Niklas Füllkrug und Marvin Ducksch ein tolles Sturmduo verpflichtet. Füllkrug wurde mit vielen Teams bis hin zu Bayern München in Verbindung gebracht, Ducksch war als Eigengewächs des Vereins für Dortmund interessant. Doch beide blieben bei Werder, das noch Dawid Kownacki von der Fortuna verpflichtete, der in der zweiten Bundesliga 14+9 Scorerpunkte erzielte. Auch Füllkrug und Ducksch gewannen die zweite Liga, bevor sie in die erste stürmten. Da die Abwehr jedoch nicht verstärkt wurde, ist bei den Spielen von Werder mit vielen Toren in beide Richtungen zu rechnen.

Bochum ist bereit, mit Pressing zu überrennen - auch nach der Verpflichtung von Thomas Letsch ist die Mannschaft in der Bundesliga führend in der Druckintensität. Die langen Abschläge von Christopher Antwi-Adjei und die langen Pässe von Torhüter Manuel Riemann sind zwei weitere vertraute und charismatische Werkzeuge der Bochumer. Bochum ist einfach sympathisch und darf auf eine dritte erfolgreiche Saison im Kampf um den Klassenerhalt hoffen.

Augsburg versuchte es mit einem speziellen Pressing, dem Individualpressing. Damit kam die Mannschaft taktisch und körperlich gut klar (in der letzten Bundesliga-Saison hatten die Augsburger die meisten verletzungsbedingten Ausfälle). Trainer Enrico Maaßen ist im Amt, mal sehen, ob der Kader noch da sein wird.

Stuttgart ist ein klarer Kandidat für eine deutliche Verbesserung im Vergleich zur Vorsaison, als man zu Unrecht auf Platz 16 landete und in den Relegationsspielen Hamburg mit 6:1 abfertigte: Stuttgart war der Verein mit der schlechtesten Torhütersituation, was dazu geführt hat, dass sie viel mehr Gegentore kassiert haben als erwartet. Jetzt haben sie Nübel, der von den Bayern ausgeliehen wurde - auch er spielt nicht ganz überzeugend unter Druck, wäre aber die klar bessere Wahl.

Frank Schmidt ist seit 17 Jahren Trainer in Heidenheim - wird er es auch in einem Jahr noch sein? Zu 99 Prozent wird Schmidt eine Saison durchhalten, auch wenn Heidenheim im Kampf um den Klassenerhalt schnell ins Hintertreffen gerät. Zu stark ist die Bindung zwischen Verein und Trainer. Erst nach der Saison kann es eine Entscheidung geben - Schmidt hat mehrfach gesagt, dass er bereit ist zu gehen, wenn die Mannschaft keine besseren Ergebnisse mehr erzielt.

Darmstadt ist eine typische Mannschaft im Überlebenskampf: Hoffnung auf eine solide Defensive ohne Glanzlichter nach vorne. In der zweiten Liga punkteten sie regelmäßig mit wichtigen Unentschieden - Freiburg macht es in der ersten Liga ähnlich. Der Stil wird sich wohl auch mit dem Aufstieg in die erste Liga nicht ändern: Hinten aufpassen und schnell kontern.

VerfasserOleksandr Manov .
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