Burger vom Trainer, Süßigkeiten, Bumbum statt Training: So hat Ailton Werder Bremen zum Meister gemacht

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Burger vom Trainer, Süßigkeiten, Bumbum statt Training: So hat Ailton Werder Bremen zum Meister gemacht

Der Brasilianer sah eher aus wie ein Konditor als wie ein Fußballer, aber er führte Werder Bremen zu einem unerwarteten Meistertitel und wurde Torschützenkönig der deutschen Liga.

Es folgen Geschichten über Diäten mit Burgern vor dem Spiel, endlose Süßigkeiten, Werder-Verrat, Flucht aus Istanbul, Schmuck für Tore, seltsame Reisen und Wurstwerbung.

Werder hat ein Jahr lang versucht, Ailton zu kaufen. Es waren fragwürdige Machenschaften im Spiel, das Finanzamt eröffnete ein Verfahren

Dürfen wir euch kurz daran erinnern, worum es bei Werder eigentlich ging? Das neue Leben des Vereins begann 1995, kurz nachdem Otto Rehhagel (derselbe, der 2004 mit Griechenland die Europameisterschaft gewann) den Verein verlassen hatte. Rehhagel war 15 Jahre lang am Ruder und hinterließ die Mannschaft als König: 1993 gewannen sie die Bundesliga und den deutschen Supercup, 1994 den DFB-Pokal, 1995 wurden sie Zweiter.

Es war nicht möglich, die Legende vollständig zu ersetzen: Adrian Mosa wurde vom PSV geholt, aber der Verein hat mit ihm nur den Platz 9 erreicht. Dann wurde Hans-Jürgen Dörner aus der Jugendmannschaft geholt - nur 8. Platz.

Nach einer weiteren Entlassung setzte die Vereinsführung auf Wolfgang Sidka - er war in den 80er Jahren 5 Jahre lang bei Werder und begann 1997 als Co-Trainer. Ihm war es zu verdanken, dass Ailton überhaupt zu Bremen wechselte.

Das große Geheimnis ist, wie hat Sidka Ailton überhaupt gefunden? Ende der 90er Jahre war das Scouting-System noch ganz anders. Heutzutage entgeht Florentino Perez kein talentierter Brasilianer mehr. Außerdem sprechen wir von Vereinen, von denen man wahrscheinlich noch nie gehört hat: Vor Deutschland spielte Ailton für Ypiranga, Mogi Mirim, Santa Cruz und Guarani. Internacional ist mehr oder weniger bekannt, aber er spielte dort vier Saisons vor der Bundesliga.

Kurz gesagt, ein Geheimnis! Allerdings brachte der pummelige Brasilianer Zidka dazu, den Werder-Bossen die Seele aus dem Leib zu schütteln. Willi Lemke, ein Politiker und Sportfunktionär, der fast 20 Jahre lang für die Finanzen des Vereins verantwortlich war, war davon besonders betroffen.

Lemke flog nach Brasilien, um mit Guarani zu verhandeln, und nahm den Geschäftsführer Jürgen Born mit, der Portugiesisch konnte. In der Saison 1996/97 traf Ailton in fast jedem zweiten Spiel, und der wenig bekannte Verein verlangte logischerweise einen hohen Preis. Doch nicht sofort, zunächst schüttelten die Brasilianer den Kopf: "Nein, nein, nein, nicht zu verkaufen".

Als Lemke seine Koffer packte, kamen die Guarani-Bosse zurück - okay, man kann noch verhandeln, aber für... Sie verlangten einen Preis, und Willy fuhr mit dem Packen fort - so viel Geld hatte Werder sicherlich nicht. Und selbst wenn sie es hätten, wäre es ein zu großes Risiko, es für einen geheimnisvollen 25-jährigen Stürmer auszugeben.

Willi erinnerte sich daran, dass Ailton das Ziel des Cheftrainers war, also blieb er in Kontakt mit Guarani und wartete darauf, dass der Verein den Preis senkte. Jeden Monat rief er die Brasilianer an - und so weiter bis zum Winter 1998: Anfang des Jahres schockierte ihn die Meldung "Ailton ist bereits in Mexiko". Lemke war wütend: Er schrie, er hätte vor dem Transfer zu Tigres gewarnt werden müssen und bat Guarani um Kontakte in Mexiko.

Der Mittelsmann am anderen Ende des Telefons schien Lemke sofort seltsam zu sein. Und als Willi nach Monterrey flog, verlangte der Vermittler eine satte Summe für seine Hilfe bei dem Transfer. Wieder geriet alles ins Stocken, und erst im Herbst wurde Werder endlich handelseinig. Doch der Deal war ein bisschen undurchsichtig.

Nach Recherchen der Spiegel-Nachrichtenseite wurde für den Transfer die damalige Rekordsumme von 5 Millionen Mark gezahlt, weitere 120.000 Mark gingen an einen Mittelsmann. Nach Angaben der Journalisten floss viel Schwarzgeld nach Mexiko: Werder nutzte einen geheimen Fonds, der von anonymen Investoren finanziert wurde. Das Finanzamt interessierte sich dafür, leitete ein Verfahren ein, konnte aber nichts nachweisen, und Lemke lächelte: "Der Bericht des Spiegels ist Quatsch".

Die Fahrt von Monterrey nach Bremen dauerte 20 Stunden - und es war total lächerlich. Lemke konnte kein Wort Portugiesisch, der Brasilianer hatte keine Ahnung, was Deutsch überhaupt ist. "Wir haben den Satz 'Werder ist cool' gelernt. Den haben wir während des Fluges 50 Mal wiederholt, alles andere haben wir nicht verstanden", lacht Lemke.

"Der Fettsack muss weg": Ailton litt in Deutschland: Er wohnte in einem Hotel, aß nur Nudeln und ärgerte Magath

Im Flugzeug nach Bremen kaute Ailton Bonbons und träumte von einer glorreichen europäischen Karriere bei einer renommierten Meisterschaft. Doch sobald er den Flughafen verließ, zog er sofort eine Grimasse. "Dort herrschte in 10 von 12 Monaten Winter", erinnert sich der Brasilianer.

Zidka bekam endlich den gewünschten Spieler, aber nach einem ganzen Jahr und zum denkbar ungünstigsten Zeitpunkt. Der Trainer schenkte Ailton sofort sein Vertrauen: Der Transfer wurde am 10. Oktober bekannt gegeben, und schon am 13. stand der Neuzugang in der Startelf gegen Freiburg. Er traf in der 45. Minute, allerdings schon beim Stand von 0:3. Seine Verfassung reichte für eine Halbzeit, und nach der Pause wurde er durch Jens Todt ersetzt.

Dann kam der Schock: Werder verlor, Zidka wurde entlassen und Ailton fand sich im tristen Bremen nutzlos wieder. Eine Woche nach seinem Transfer. Tja.

Dann wurde es noch schlimmer - Felix Magath wurde zum Trainer ernannt. Der schlimmste Trainer, den man sich vorstellen kann - mit strenger Disziplin und höllischer körperlicher Anstrengung. Das ist Schwerstarbeit für einen dicken und fröhlichen Brasilianer, der gerade vom Strand kam.

Ailton bekam nicht einmal eine feste Unterkunft: Er mietete für fast einen Monat ein Hotelzimmer und aß nur Nudeln - er wusste nicht, wie man etwas anderes bestellt.

"Du kommst in einem fremden Land an, verstehst gar kein Wort, frierst. Und sie nehmen dich nicht einmal mit zu einem Auswärtsspiel. So kann man sterben", erinnerte sich Ailton.

Auch mit der Rückennummer klappte es nicht. Erst Jahre später wurde seine Nr. 32 auf Werders ungewöhnlichem grün-orangenen Trikot zur Ikone: Zunächst ärgerten sich die Fans über die unkonventionellen Farben, doch nach der Meisterschaft waren alle Trikots ausverkauft.

"Ich habe eigentlich nach der Nummer 11 gefragt. Sie sagten: 'Besetzt'. Ich sagte: 'Okay, dann gebt mit Nr. 9.' Besetzt! Und 10? Sie sagten: 'Dasselbe.' Ich wurde wütend und sagte: 'Was soll's, gebt mir schon Nr. 32'."

Magath war mit der Verfassung von Da Silva nicht besonders zufrieden. Bis zum Ende der Saison ließ Felix den Neuzugang nur viermal in der Startelf auflaufen, und zwar aufgrund von Verletzungen und Sperren. Der eiserne Felix war total schockiert von Ailton und warnte den Vorstand, dass er einen solchen Spieler überhaupt nicht brauche.

Lemke erinnert sich: "Magath sagte immer: 'Der Fettsack muss weg'. Ich habe geantwortet: 'Felix, vergiss es! Ich habe noch nie in meiner Karriere so hart für einen Spieler gekämpft. Gib ihm einfach Zeit."

Am Ende wurde Magath selbst keine Zeit mehr gegeben. Die sinkende Mannschaft wurde von dem legendären Thomas Schaaf aufgefangen: Er gab sein ganzes Leben für Werder, wurde nie ausgeliehen und übernahm zum Ende seiner Karriere 1995 Werder II. Auch ihm passte Ailton nicht - er forderte die Vereinsführung auf, den Brasilianer zu verkaufen und den Erlös in Neuzugänge zu investieren.

Werder versuchte, Ailton nach Hause zu holen: Botafogo konnte sich das Preisschild nicht leisten, aber der Spieler zeigte plötzlich Charakter und wollte bleiben. Zu Beginn der Saison 1999/2000 wurde er nicht einmal als Reservist eingesetzt - gerettet durch die Verletzungen anderer Spieler. Im Spiel gegen Wolfsburg verletzte sich Rade Bogdanović: Ailton wurde in der 15. Minute eingewechselt, erzielte ein Tor und gab zwei Assists für Claudio Pizarro.

"Er ist der Typ, der immer Spaß haben will. Wenn es ihm gut geht, merkt man das sofort, weil er viel lacht. Er ist ein ehrlicher Kerl, der den Fußball mag. Gleichzeitig denkt er nicht nur an sich selbst", verriet Schaaf das Geheimnis.

Schau dir nur Ailtons Statistiken nach der Ankunft seines Lieblingstrainers an. Jahre später bezeichnete er Schaaf liebevoll als "meinen deutschen Vater".

Ailton fuhr mit dem Taxi zum Trainingslager, Schaaf servierte ihm persönlich Burger, die Fans nutzten seine Verspätung aus

Ein paar Spielzeiten später wurde Ailton vom Außenseiter zum Helden, um den herum eine erfolgreiche Mannschaft aufgebaut wurde.

Das hat Schaaf in der Saison 2003/04 geschafft:

● Ailton ließ sich tief fallen, kontrollierte gerne den Ball und versuchte sich im Dribbling.

● Er brauchte einen starken Stürmer neben sich: Ivan Klasnić oder Angelos Charisteas.

● Frank Baumann, Fabian Ernst und Krisztián Lisztes waren im Zentrum des Spielfeldes präsent. Mit einer einfachen Aufgabe: den Ball wegnehmen und an das magische Trio weitergeben.

● Ailton und Klasnić wurden von Johan Micoud unterstützt - seine Tradition wurde später in Bremen von Diego, Özil und De Bruyne fortgesetzt. Der Franzose verteilte perfekte Pässe, nicht umsonst nannte Toni Kroos ihn später seinen Lieblingsspieler.

Werder Bremen war sehr gut: Sie haben in der 16. Runde die Führung übernommen, waren 15 Spiele lang ungeschlagen und haben das goldene Double geholt. Die interne Chemie machte den Unterschied: Das Team brillierte, Ailton war entspannt und kreativ.

Vor Heimspielen brachte Schaaf die Mannschaft in einem Hotel unter. Das war auch vor dem Spiel gegen Wolfsburg der Fall.

Um die Mahlzeiten kümmerte sich der Vereinskoch. Das passte Ailton natürlich nicht. Um Mitternacht rief er in der Hotelküche an:

"Leute, bringt mir einen großen Hamburger. Sagt nur nichts zum Cheftrainer."

Eine halbe Stunde später klopfte jemand an die Tür. Ailton öffnete sie und sah Schaaf. Der Trainer hatte einen Hamburger mitgebracht:

"Du schuldest mir morgen zwei Tore."

Werder schlug Wolfsburg (5:3), Ailton verwertete die Kohlenhydrate mit einem Doppelpack bereits in der 21. Minute. Insgesamt erzielte er acht Tore in fünf Spielen nach einem Burger am späten Abend!

Diese Geschichte wurde von Geschäftsführer Jürgen Born in einem Podcast über den Meister Werder in Erinnerung gerufen.

Eine andere Geschichte ist seine Unpünktlichkeit. Da Silva ist nicht ein einziges Mal (na ja, nicht ein einziges Mal!) pünktlich zum Trainingslager erschienen. Er erfand nicht einmal irgendwelche Geschichten über eine kranke Großmutter oder verdorbene Eintrittskarten - jeder wusste bereits, dass Ailton nicht pünktlich erscheinen kann. Im Jahr 2002 meldete sich sein Gewissen und er nahm ein Taxi zur Insel Nördernee - eine kurze Fahrt zum Trainingslager kostete ihn 750 Euro (eine Menge Geld für die damalige Zeit).

"Oh, das ist eine legendäre Geschichte. Leider ist es nicht die einzige. Er hat mehr als eine Geldstrafe wegen Unpünktlichkeit bezahlt. Hatte ich eine schwere Zeit mit ihm? Ja, aber das galt auch für ihn. Wenn alle schon mit dem Ball gearbeitet haben, ist er noch seine Runden gelaufen", lacht Schaaf.

Der Trainer war wütend, bestrafte ihn, verzieh ihm aber. Die Fans waren begeistert und schlossen Wetten ab: Derjenige, der die genaue Anzahl der Tage, an denen Da Silva zu spät kommt, errät, würde einen Preis gewinnen.

"Natürlich gab es am Anfang Probleme. Toni kam aus einer ganz anderen Welt, er wusste nicht, wie sehr man sich in Deutschland auf den Fußball konzentriert. Er hatte einen anderen Ansatz. Das mussten wir erst einmal begreifen. Wir haben ihm erklärt, dass es nur in Harmonie funktioniert.

Ich habe bereits gesagt, dass es nicht immer notwendig ist, einen Spieler zu bestrafen. Was habe ich getan? Bestraft", erinnerte sich Schaaf.

Offenbar fiel das Wort "Konzentration" so oft in Gesprächen mit dem Trainer, dass Ailton es in seinen legendären Interviews verwendete. Nach den Spielen sprach er mit den Journalisten in einem Gemisch aus Portugiesisch und Deutsch, wobei er auch seltsame Dinge erzählte. Keiner verstand etwas:

"Totale Konzentration auf Fußball. Ohne Sex, ohne Bumbum. Orgasmus gibt es nur, wenn ich ein Tor schieße. Tor. Bumbum. Ailton ist wieder da."

Da Silva erwähnte den Sex auch aus einem bestimmten Grund: In einem Interview wurde er einmal gefragt, wie er solch eine Form erreicht habe. Der Brasilianer antwortete: Nicht wegen Schaafs Training, sondern wegen des täglichen Sex mit seiner Frau. Offenbar war das 'Bumbum'.

Damals träumte Ailton von der Nationalmannschaft. Doch es gab genug Stars in seinem Heimatland Brasilien, und Rudi Völler ignorierte ihn, trotz der Anfragen von Journalisten. Katar wurde jedoch aktiv und bot 1,5 Millionen Euro. Der Deal wurde in letzter Minute von der FIFA vereitelt, was die logische Frage aufwirft: Was ist denn bitte die geringste Verbindung zwischen Ailton und Katar?

Ailton hat sich aus Gier alles selbst kaputt gemacht: Er weinte auf der Toilette und begriff nicht, wie er bei Schalke unterschrieb

Perfekte Saison 2003/04: Werder fliegt dem Meistertitel entgegen, Ailton glänzt so sehr, dass sich die Bayern für ihn interessieren - er wird von den Fans verehrt. Sie gaben ihm sogar den Spitznamen Kugelblitz und charakterisierten ihn liebevoll als "fett, faul und genial".

Genau das Märchen, von dem er im Flugzeug geträumt hat.

Doch Ailton war sehr auf Geld fixiert und gab immer den Emotionen nach. Jedes Tor zelebrierte er mit Schmuck für seine Frau, und nach dem Double kaufte er noch mehr. Eine Menge ging für Restaurants und teure Kleidung drauf.

Sein Vertrag bei Werder lief nach der triumphalen Saison aus. Der Verein hatte sich irgendwie verrannt: Man war vom Fußball abgelenkt und dachte arrogant, dass Ailton nirgendwo hingehen würde. Und plötzlich kam Schalke: Sie verdoppelten Da Silvas Gehalt, setzten ihn unter Druck, spielten mit Emotionen und einigten sich in nur drei Tagen auf einen Vertrag. In drei Tagen! So schnell, dass Ailton selbst fast nichts davon mitbekam.

"Ich habe in jener Saison viel geweint. Zu Hause, im Bett, auf der Toilette. Habe mich immer wieder gefragt: "Warum Schalke? Warum habe ich das gemacht?"

Es war schwer, damit weiterzumachen:

Das goldene Rennen war in vollem Gange, aber Ailton hatte seine Motivation nicht verloren und Schaaf vertraute ihm sehr.

"Oh, das war eine Bombe. Eine große Enttäuschung. Ich hätte es nicht für möglich gehalten. Doch jeder hat das Recht, seinen eigenen Weg zu gehen. Für Ailton war Schalke eine gute Gelegenheit. Er hat ein großes Herz, er umgibt sich mit vielen Menschen und kümmert sich um sie", erinnert sich Schaaf Jahre später philosophisch an den Transfer, damals war er jedoch schockiert.

Bei der Meisterschaftsfeier begann Ailton zu schluchzen: Deutsche Journalisten schrieben, dass es nicht vor Freude, sondern vor Trauer war, dass er sein Zuhause verlassen muss. Später dementierte Da Silva:

"Unsinn! Ich habe an meinen Bruder gedacht, der vor Beginn der Saison gestorben ist. Ich habe ihm all diese Siege gewidmet."

Und es gab viel zu verschenken: Neben dem Double gewann er die Torjägerkanone und wurde als erster Ausländer zum besten Spieler der Bundesliga gekürt. Doch der unerwartete Transfer hinterließ seine Spuren.

"Es ging alles so schnell. Nach einem der Spiele gab es ein Treffen mit Rudolf Assauer (Schalke-Direktor). Er kam mit einem Ziel - Ailton sollte einen Vertrag bei Schalke 04 unterschreiben. Ich habe drei Tage lang darüber nachgedacht, mit meiner Familie, meinen Freunden und meinem Berater gesprochen. Und dann habe ich beschlossen - ja! Heute würde ich auf jeden Fall nicht mehr drei Tage darüber nachdenken, sondern mindestens einen Monat lang. Vielleicht war es ein Fehler", erinnerte sich Ailton.

Der skandalöse Transfer hätte annulliert werden können. Doch Ailton wollte das nicht

Ailtons spätere Interviews sind von Bedauern geprägt: Er sprach von Tränen und Frustration über die schnelle Entscheidung. Hier ist ein weiteres Beispiel: "Wenn ich in Bremen geblieben wäre, hätten wir einen weiteren Titel gewinnen können, ich hätte wieder Torschützenkönig werden können. Doch ich war einer von vielen, die zu schnell eine Entscheidung getroffen haben und damit falsch lagen.

Später wurden Details des Transfers bekannt: Es stellte sich heraus, dass das erste Treffen zwischen Ailton und Assauer bereits im Oktober 2003 stattfand, unmittelbar nach dem Spiel gegen Wolfsburg - jenem Spiel, bei dem er nach einem Burger einen Doppelpack erzielte.

Die Parteien einigten sich und unterschrieben sogar etwas, aber Werder könnte das Dokument durchaus vor Gericht annullieren. Davon war Manfred Müller, der damalige Geschäftsführer von Werder, überzeugt.

"Erstens entsprach der Vertrag nicht der von der Bundesliga geforderten Form. Zweitens war alles auf Deutsch, Ailton hätte ihn nicht lesen können."

Werder gab dem Spieler dann zwei Wochen Bedenkzeit: Wenn er bleiben wolle, könne er das einfach sagen, und die Anwälte würden den Fall gewinnen. Ailton sprach von Tränen, reagierte aber nie.

"Habe ich versucht, meinen Vertrag zu kündigen? Persönlich nicht, aber mein Vertreter hat es versucht. Er kommunizierte mit Assauer und bot einen anderen Brasilianer an, um mich in Bremen zu halten. Assauer antwortete: "Wir sind in Deutschland, und hier wird ein Handschlag geschätzt". Daraufhin habe ich aufgegeben und gesagt: "Okay, ich wechsle im Sommer zu Schalke".

Und wieder änderte er seine Meinung: Zwei Monate nach dem Ultimatum von Werder bat er den Verein um Hilfe. Doch die Bremer hatten sich zu diesem Zeitpunkt bereits mit dem Verlust ihres Anführers abgefunden und arbeiteten an zukünftigen Optionen: Sie waren in den Verhandlungen mit Miroslav Klose vorangekommen und waren zuversichtlich, dass er im Sommer von Kaiserslautern wechseln würde. Müller fügte hinzu, dass eine Kombination aus Ailton/Klasnić/Klose zu teuer gewesen wäre.

Später beschrieb Ailton die Geschichte wie folgt: "Ich hätte den Vertrag mit Schalke auflösen können. Doch ich habe ein Prinzip, von dem mein Vater immer gesprochen hat: "Ein Mensch, ein Wort".

Schalke verdoppelte Ailtons Gehalt - von 1,9 Millionen Euro auf 4. In einem Interview im Jahr 2014 sagte der Brasilianer:

"Nein, es ging nicht um Geld. Damals gab es andere Gründe."

Im Jahr 2004, nach dem Wechsel, setzte er seine Prioritäten anders: "Fußball ist toll, aber die Familie ist wichtiger. Ich habe zwei Kinder, ich bin Vater, ich muss meiner Familie helfen. Deshalb bin ich zu Schalke gegangen. Das ist ganz normal, man hat mir einen sehr guten Vertrag angeboten."

Ailton verließ Schalke wegen seines Temperaments und Rangnick - auch das bedauert er

Der Brasilianer wollte nach der Trennung von Werder schnell weitermachen. Zunächst sagte er, er würde in Bremen bleiben und war bereit, jeden Tag 500 Kilometer nach Gelsenkirchen zu fahren.

Doch schon bei der ersten Pressekonferenz schneidete er Grimassen und lachte - es war so lustig, dass Mladen Krstajić (der ebenfalls von Werder geholt wurde) sich vor Lachen krümmte und die Fragen nicht richtig beantworten konnte.

Einmal ließ er einen Fotografen in sein Zimmer kommen - er räumte nicht einmal das verstreute Bonbonpapier auf. Wenn alle in die Pedale traten, ritt Da Silva auf einem Pferd. Und sagte: "Ja, auf dem Feld braucht man immer Konzentration und Tore. Das bedeutet aber nicht, dass es keinen Spaß machen sollte."

Am Anfang war es nicht lustig: Schalke verlor drei von vier Spielen, Jupp Heynckes wurde entlassen, Ailton traf erst in der neunten Runde zum ersten Mal, und gegen Hansa bekam er eine rote Karte. Die nächste - eine klassische Geschichte für Ailton: Ralf Rangnick wurde Trainer, der Deutsche und der Brasilianer kamen nicht miteinander aus.

Da Silva stand in der Startelf und schaffte sogar ein solides Ergebnis - 14+3 in 29 Spielen. Doch die gegenseitige Abneigung wuchs: Rangnick mochte die Freiheiten des Stürmers nicht, letzterem gefiel das vorgeschlagene Gerüst nicht. Auch die Fans waren nicht glücklich: Ailtons häufige Interviews in Zusammenhang mit Werder und sein Bedauern darüber, die Champions League verpasst zu haben, waren belastend.

Am 31. Spieltag ließ Ralf Ailton auf der Ersatzbank, der sich aus Protest nicht in der zweiten Halbzeit aufwärmte, und auf der Bank blieb. Alles wurde klar, als Rangnick öffentlich von einem Stilwechsel sprach und Kevin Kuranyi verpflichtete, um dies zu bestätigen. Ailton hatte Angst vor der Konkurrenz.

Und generell war ich nicht mehr besonders begeistert davon, für Schalke zu spielen. "Mein Vertrag läuft noch bis 2006. Wir hatten eine Vereinbarung über eine mögliche Verlängerung. Doch heute sage ich: Ich werde diese Option nicht wahrnehmen", sagte der Brasilianer in der Mitte der ersten Saison.

Später fügte er hinzu: "Schalke versteht mich nicht. Ich möchte, dass die Leute mich verstehen, die Art und Weise, wie ich spiele. Warum haben sie mich überhaupt geholt? Manchmal rede ich mit dem Vorstand, aber es scheint um etwas Dummes zu gehen."

Schalke zog sogar die Option einer vorzeitigen Vertragsauflösung in Betracht, doch plötzlich tauchte Besiktas auf. Die Istanbuler zahlten 3,5 Mio. Euro, und Ailton verbrachte die gesamte Trainingseinheit mit seinem Handy in der Hand, packte dann spontan seine Sachen, stieg in ein Auto und kam nicht mehr zurück.

Und er hat sich wieder geirrt. Später gab er zu:

"Meine Karriere wäre anders verlaufen, wenn der voreilige Wechsel von Schalke zu Besiktas nicht gewesen wäre. Ich musste einfach geduldig sein. Es wäre vernünftig gewesen, wenn ich geblieben wäre."

Ach, dieser Ailton: Besiktas-Trainer erwischte ihn auf der Flucht am Flughafen, die Fans machten ihn dank eines Fehlers zum Spieler des Jahres, bei Metalurh kam er nicht zur Präsentation

Nach Schalke ging es mit seiner Karriere bergab. Der Brasilianer war bereits 32 Jahre alt und verlor zusehends die Motivation. Es war nicht einmal eine Frage von Verspätungen und Diäten - er gab nicht mehr sein Bestes, weil alle um ihn herum nicht Schaaf waren. Nur sein deutscher Vater verstand ihn.

● Die Fans in Istanbul erwiesen sich als anspruchsvoll. Sie erkannten schnell die Gleichgültigkeit, lasen die Nachrichten über das faule Training und wandten sich gegen den Legionär. Cheftrainer Jean Tigana nannte ihn "zu alt und fett", seine Mitspieler kritisierten ihn bereits im Trainingslager.

Der Verein verurteilte Da Silva wegen der Sperre im Spiel gegen Sivasspor zu einer Geldstrafe von 85.000 Euro. Der Brasilianer heulte auf, packte seine Sachen und verschwand. Manager Mehmet Ekşi erfuhr davon und erwischte ihn am Flughafen kurz vor seinem Flug nach Frankfurt.

Bereits im Winter bat Ailton um eine Leihe zu Hamburg. Besiktas erwartete, dass die Deutschen ihn kaufen würden, aber Da Silva blühte nicht einmal in seinem geliebten Deutschland auf: Er schoss nur 3 Tore in 6 Monaten.

Am Ende der Saison 2005/06 kämpfte Hamburg gegen Werder Bremen um den zweiten Platz und das direkte Ticket für die Champions League. Es kam zu einem Hollywood-Ende mit Ailton in der Startelf gegen seinen ehemaligen Verein.

In der 65. Minute, beim Stand von 1:1, bedienten die Gastgeber Ailton vor dem leeren Tor, doch er schoß daneben. Sieben Minuten später erzielte Klose, der den Brasilianer in Bremen gerade erst ersetzt hatte, den entscheidenden Treffer. Aus Dankbarkeit attackierten die Werder-Fans die offizielle Website der Hamburger und verhalfen Ailton zur Auszeichnung als Spieler des Jahres.

Nach seiner Rückkehr nach Istanbul durfte Ailton nicht trainieren und wurde für 300.000 an Roter Stern verkauft. In Serbien war man schockiert über den Star, der schließlich enttäuschte, und schickte ihn nach sechs Monaten auf Leihbasis zu Grasshopper. Da Silva erzielte in der Schweiz acht Tore, doch der Verein weigerte sich, ihn auszukaufen.

● Es ist merkwürdig, dass Duisburg nach all diesen Geschichten an Ailton glaubte. Cheftrainer Rudi Bommer hoffte auf ein Wunder, zumal der Spieler selbst in seinen ersten Interviews versicherte:

"Die Zeit des unzuverlässigen Ailton ist vorbei. Es wird keine Abenteuer mehr geben, die Leute werden den neuen Ailton kennen lernen."

Der Enthusiasmus des Brasilianers war beflügelnd: Er schien in den kleineren Meisterschaften gelitten zu haben und ergriff schließlich die Chance in der Bundesliga. Er hielt sogar eine Diät!

"Wer genießt es schon, eine Diät zu machen? Ich mag Süßigkeiten wirklich gerne, aber ich musste hart arbeiten. Weißt du, Bananen sind auch lecker. Ich genieße das Spiel, auch wenn es ohne Sahnetorte ist", sagte Ailton.

Schließlich schwor der Brasilianer, dass Unpünktlichkeit der Vergangenheit angehören würde. Könnt ihr erraten, was ihn einige Monate später dazu veranlasste, Duisburg zu verlassen?

"Er ist im Trainingslager nicht erschienen. Und er hat nicht einmal etwas gesagt", sagte Bommer.

Die Journalisten schrieben, dass Ailton im Training sehr faul war, aber Duisburg war bereit, dies im Gegenzug für Tore zu tolerieren. Der skandalöse Neuzugang erzielte nur ein Tor. Ailton antwortete beleidigt: "Es ist überhaupt nicht realistisch, in dieser Mannschaft ein Tor zu erzielen. Selbst Eto'o würde für Duisburg kein Tor schießen. Mir geht es immer gut, aber die Abwehr..."

● Nach Duisburg kam Ailton in die Ukraine, und dieser Transfer zu Metalurh Donezk gilt bis heute als einer der erfolglosesten. Der Brasilianer flog nicht einmal zur Präsentation: nur sein Trikot mit der Nummer 9 wurde dort gezeigt.

Sportdirektor Vardan Israelian sagte verärgert: "Wir haben einen weiteren Neuzugang - Ailton. Er ist aber noch in Ankara, um ein Visum zu machen. Es gibt einige Probleme mit Dokumenten, sein Pass ist abgelaufen."

Schließlich kam Ailton doch in die Ukraine, mit einem Gehalt von 600.000 Euro pro Jahr. Er hatte keine andere Motivation: weder um zu spielen, noch um zu trainieren, geschweige denn, um die Sprache zu lernen.

Die Probleme begannen sofort. Bereits im Mai reagierte Cheftrainer Nikolay Kostov nervös auf Fragen über den Neuzugang: "Wo ist Ailton? Fragt den Vorstand. Ich weiß es nicht."

Einige Monate später gab Da Silva der Zeitung Bild ein Interview.

- Werder-Sportdirektor Klaus Allofs ist auf der Suche nach einem neuen Stürmer. Hast du eine Idee dazu?

- Ja, Ailton!

- Was soll das heißen?

- Ich habe schon mit Chef Born [Jürgen Born] gesprochen und nächste Woche muss ich mit Allofs sprechen. Ich kehre zu Werder zurück

- Doch laut Vertrag musst du noch anderthalb Jahre in der Ukraine spielen.

- Ja, aber jetzt bin ich zu Hause in Brasilien und werde nicht nach Donezk zurückkehren. Ich hoffe, dass der Vertrag in ein oder zwei Wochen aufgelöst wird. Dann bin ich frei für Werder.

● Nach Metalurh ist Ailton nicht zu Werder zurückgekehrt. Auf die Frage nach einem Wechsel des Brasilianers zumindest in die zweite Mannschaft antwortete Schaaf: "Toni ist ein zu unbeständiger Typ, um ein Zuhause zu finden. Ein netter Mann, aber zu sehr von Emotionen getrieben, weshalb er sich ständig in Geschichten verstrickt. Das wird er wahrscheinlich für den Rest seines Lebens so bleiben. Zurückzukommen wäre nicht die beste Lösung für ihn."

Dann gab es noch Altach aus Österreich, Campinense und Rio Branco aus Brasilien, Chongqing Dangdai Lifan aus China, Uerdingen (sechste Liga), FC Oberneuland (4) und BFV Hassia Bingen (6) aus Deutschland.

***

Ailton beendete 2014 seine Laufbahn! Nach dem Ende seiner Karriere ist er genauso schwer zu verfolgen wie damals, als er für Werder spielte. Er wohnt in Monterrey, wo seine Frau geboren wurde, verbringt aber manchmal Zeit auf einer Ranch in Texas, dann kehrt er zurück nach Brasilien. Im Jahr 2022 machte er Urlaub in Bremen, davor in den Vereinigten Staaten.

Bei den Hobbys ist es ähnlich: Er warb für Würstchen, trat in Shows auf, war Moderator, gründete eine Baufirma. Er war sogar Sänger - man kann nicht widerstehen, diesen Kerl mitzusingen.

Bei einem der Interviews stellte sich heraus, dass Ailton auch Pferde züchtet. Er unterbrach das Gespräch wegen eines geschäftlichen Anrufs, und als er zurückkam, war er ganz aufgeregt: "Sie wollten mir ein Pferd für 10 Tausend abkaufen! Ha-ha, es ist ganze 20 wert!"

Es gab eine Zeit, in der Ailton offenbar Geldnot hatte. Im Jahr 2007 tauchte plötzlich seine Kanone bei eBay auf - ein legendärer Preis für den Gewinn der Torjägerkrone der Bundesliga. Dem Gericht gelang es, die Auktion 80 Minuten vor dem Ende und bei der Marke von 600 Tausend Euro zu schließen: Es stellte sich heraus, dass der Preis vom Vertreter Ailtons angeboten wurde, der versicherte, dass der Fußballer ihm eine hohe Summe schuldete.

Wir alle kennen den "Kugelblitz" noch aus seiner phänomenalen Zeit bei Werder. Ohne den charmanten 'Fettsack' schwächelte der Verein, und ohne Werder auch er selbst. Ja, es gab Verspätungen, Tore und Bonbonpapier. Doch der wahre Ailton gehört für immer zu Werder.

Wie cool, dass der Verein ihm verziehen hat - 2014 wurde dem Brasilianer ein schickes Abschiedsspiel geschenkt: mit einem vollen Stadion und einem Sofa in der Mitte des Spielfelds für seine Familie.

Ailton weinte, genau wie im Sommer 2004. Nur nicht vor Trauer und Enttäuschung, sondern vor Glück - nur in Bremen wurde er so geliebt, wie er war. Ungehobelt, dick, talentiert.t

VerfasserVožykQuelleTribuna
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