"Das siebte Weltwunder": Wie Alou Diarra vom Bayern-Reservisten zum WM-Finalisten aufstieg

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"Das siebte Weltwunder": Wie Alou Diarra vom Bayern-Reservisten zum WM-Finalisten aufstieg

Alou Diarra spielte zwei Jahre beim FC Bayern, kam jedoch nicht über die Reserve-Mannschaft hinaus. Später nahm er am WM-Finale 2006 teil und besiegte Bayern mit Bordeaux in der Königsklasse.

Im Sommer 2000 wechselte der 19-jährige Alou Diarra vom französischen Zweitligisten FC Louhans-Cuiseaux zum FC Bayern München. Der Rekordmeister verpflichtete den Franzosen ablösefrei und ging somit zumindest kein finanzielles Risiko. Für den Mittelfeldspieler war es aber wohl ein Risiko: Er kam ganz allein, konnte kein Deutsch und kaum Englisch. Er begann bei der zweiten Mannschaft in der damals drittklassigen Regionalliga Süd.

Währenddessen schaffte ein anderer Spieler namens Sebastian Bönig den Sprung von der U19 in die zweite Mannschaft der Bayern. Wie auch Diarra agierte er im defensiven Mittelfeld. Die Beiden waren also potenzielle Rivalen, doch wurden schließlich zu Freunden.

"Wir haben uns direkt sehr, sehr gut verstanden und viel Freizeit miteinander verbracht", erinnerte sich Bönig im Gespräch mit Goal und SPOX. "Am Anfang sind wir zusammen zu Ikea gefahren, um Möbel für seine Wohnung zu kaufen. Er hat in einer ganz, ganz kleinen Ein-Zimmer-Wohnung in Giesing gelebt. Sehr minimalistisch."

Ab und zu gingen die Beiden ins Restaurant und einmal auch in den Klub, doch sie merkten schnell, dass das nicht ihre Welt war. Diarra trank keinen Tropfen Alkohol, denn er hatte den Traum, Profifußballer zu werden.

Am ersten Spieltag der Saison 2000/01 feierte er bei den Bayern-Amateuren sein Debüt. Ab dem nächsten Spieltag war er Stammspieler und blieb dies bis zum Ende der Saison. Die Mannschaft war damals klein, daher war Diarra mit seinen 1,89 Metern besonders wichtig. Er war äußerst zweikampf- und kopfballstark.

Zunächst bildete Diarra die Doppel-Sechs mit Owen Hargreaves. Und als Ottmar Hitzfeld aufgrund von Verletzungen Bedarf an einer Verstärkung von der Reserve hatte, war es die Chance für Alou. Doch der Trainer zog er Hargreaves hoch. Dieser setzte sich durch und gewann einige Monate später die Champions League, nachdem er das Finale gegen Valencia durchgespielt hatte. Währenddessen trat Diarra einige Tage vor dem CL-Triumph mit seinem Team gegen Eintracht Trier an...

In der Spielzeit 2000/01 schaffte er es dennoch bei einem Spiel in den Profi-Kader, für einen Einsatz reichte es aber nicht. Genauso verlief auch die nächste Saison. Dazu hatte Alou noch monatelang mit Verletzungsproblemen zu kämpfen. Währenddessen debütierten unter dem neuen Reserve-Trainer Hermann Gerland die vielversprechenden Talente Philipp Lahm und Bastian Schweinsteiger. Diarra verlor den Glauben, es bei Bayern zu schaffen und wechselte im Sommer 2002 ablösefrei zu Liverpool.

In England wurde er auch nicht glücklich, und nach drei Leihen in seine Heimat wurde der Franzose schließlich 2005 von RC Lens fest verpflichtet.

Im Sommer 2006 erlebte Diarra wohl das Highlight seiner Karriere: Er reiste mit der französischen Nationalmannschaft zur Weltmeisterschaft nach Deutschland. Und kam sogar in der Gruppenphase gegen Togo für ein paar Minuten zum Einsatz. Bis zum Finale bestritt er keine einzige Spielminute mehr. Doch im Endspiel gegen Italien wurde er plötzlich Anfang der zweiten Halbzeit für den verletzten Patrick Vieira eingewechselt. Trotz der Niederlage war das für Diarra wohl das größte Erlebnis.

Bönig hatte der Franzose auch nicht vergessen. Obwohl sich ihre Wege getrennt hatten, blieben sie in Kontakt. Und Diarra besorgte ihm sogar ein Ticket für das WM-Finale in den VIP-Bereich. Lange fahren musste Bönig nicht, denn das Spiel stieg im Berliner Olympiastadion, und er spielte damals bei Union. "Für mich war das ein Riesen-Erlebnis. Ich werde ihm für immer dankbar sein, dass er mir das ermöglicht hat. Er hat nicht vergessen, dass ich versucht habe, ihn bei seiner Zeit in München so gut wie möglich zu unterstützen", sagte Bönig.

Direkt nach der WM wechselte Diarra zu Olympique Lyon, mit dem er 2007 seinen ersten Titel - die französische Meisterschaft - einfuhr. Dies gelang ihm zwei Jahre später erneut, aber schon im Trikot von Girondins Bordeaux.

In der Saison 2009/10 traf sein Team in der Champions League ausgerechnet auf den FC Bayern. Diarra gab damals zu, dass er schon lange auf dieses Duell gewartet hatte. Er konnte es allen zeigen - vor allem dem Klub, bei dem er sich nicht in der Profimannschaft durchsetzen konnte. Und er zeigte es allen! Als Kapitän führte er seine Mannschaft zu zwei Siegen gegen die Münchner.

"Das ist für mich das siebte Weltwunder, dass der Kapitän bei Girondins ist und sogar in der französischen Nationalmannschaft spielt", sagte Manager Uli Hoeneß damals. "Wenn mir das vor fünf Jahren einer gesagt und mit mir gewettet hätte, hätte ich ein Vermögen verloren."

Auch in den nächsten Jahren gehörte Diarra stets zur Nationalmannschaft und nahm an der WM 2010 und EM 2012 teil.

Nach seiner Zeit bei Bordeaux spielte der Mittelfeldmann noch für Olympique Marseille, mit dem er übrigens nochmal in der Champions League auf Bayern traf. Es folgten mehrere Klubs - mal englische, mal französische, bis Diarra 2017 bei AS Nancy seine aktive Karriere beendete.

"Zuletzt haben wir uns etwas aus den Augen verloren. Aber wenn wir uns wieder sehen würden, würden wir uns sicher sofort wieder an alte Zeiten erinnern", sagte Bönig. Mittlerweile sind die beiden 39 Jahre alt und beide Co-Trainer - Bönig bei Union, Diarra bei Lens.

VerfasserSenseny SeligerQuelleGoal
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