Brüderschaft: Kevin-Prince und Jérôme Boateng - zwei verschiedene Karrieren und Spiel gegeneinander

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Brüderschaft: Kevin-Prince und Jérôme Boateng - zwei verschiedene Karrieren und Spiel gegeneinander

Am 23. Juni 2010 spielte Deutschland gegen Ghana bei der Fußball-Weltmeisterschaft in Johannesburg, Südafrika. Dies war ein einzigartiges Ereignis in der Geschichte der Weltmeisterschaft. Im Laufe der Jahre hat der Fußball viele Geschwisterpaare gesehen, die ihre Nationalmannschaften vertreten haben, aber in diesem besonderen Spiel spielten zwei Brüder für verschiedene Nationen. Jérôme Boateng vertrat Deutschland, auf der anderen Seite stand Ghanas Kevin-Prince Boateng.

Vor dem Spiel wurde der Ghanaer Boateng stark kritisiert. Die deutschen Fans waren nicht glücklich über sein Tackling gegen den deutschen Kapitän Michael Ballack im FA-Cup-Finale wenige Wochen vor Beginn der Weltmeisterschaft. Sein Bruder Jérôme hatte in den Tagen vor dem Turnier nicht mit ihm gesprochen, und dieses Spiel hatte eine einzigartige Nebenhandlung. Auf dem Spielfeld blieben die beiden professionell wie immer. Die Mannschaft von Joachim Löw gewann an diesem Abend, aber dieses Spiel hatte mehr zu bieten als nur drei Punkte.

Die Geschichte der Boatengs reicht 29 Jahre vor diesem Treffen zurück. Es war 1981, als ihr Vater Prince aus Ghana nach Berlin zog und im März 1987 die beiden Söhne George und Kevin-Prince zur Welt brachte. Jérôme hingegen wurde nur 18 Monate später von Princes zweiter Frau geboren, aber sie wuchsen alle in der gleichen Stadt auf und spielten oft zusammen Fußball. Damals war es klar, dass George der talentierteste Fußballer des Trios war, aber sein schwieriger Charakter ließ seine Karriere entgleisen. Stattdessen machten die beiden jüngeren Brüder das Beste aus ihren Talenten.

Das ältere Paar lebte weit weg von Jérôme, der bei seinem Vater aufwuchs, aber sie spielten alle in der Akademie von Hertha Berlin. Während George sich vom Fußball entfernte, machte sich Kevin-Prince einen Namen als heller Stürmer, der sogar die deutschen Jugendmannschaften vertrat. Er gewann 2006 die prestigeträchtige Fritz-Walter-Medaille, die an den besten U19-Fußballer der Nation verliehen wird, und wechselte ein Jahr später zu Tottenham.

Auch Jérôme zeigte sich gut. Ein Jahr, nachdem sein älterer Bruder die Medaille gewonnen hatte, schaffte er das gleiche Kunststück und wechselte dann zu Hamburg.

Im Jahr 2009 änderte sich alles. Nachdem er einige Jahre sein Geburtsland vertreten hatte, entschied sich Kevin-Prince für Ghana. Diese Entscheidung fiel, nachdem er aus dem Kader für die U21-Europameisterschaft gestrichen wurde, weil er kurz vor dem Turnier einen Nachtclub besucht hatte, was Matthias Sammer, den Technischen Direktor des DFB, verärgerte. "Bei Kevin-Prince ist ein Mangel an Disziplin und ein gewisser Egoismus zu erkennen", sagte Sammer. "Was seine sportliche und mentale Verfassung angeht, ist Jérôme der stärkere Spieler."

Während all dies geschah, hatte er auch damit zu kämpfen, sich an das Leben in England anzupassen. Er kam kaum zum Einsatz und kehrte sogar für eine kurze Leihe nach Deutschland zu Borussia Dortmund zurück, wo Jürgen Klopp ihn gerne dauerhaft verpflichtet hätte, dies aber aufgrund der finanziellen Situation des Vereins nicht tun konnte. Stattdessen wechselte er 2009 zu Portsmouth.

Der jüngere Boateng entwickelte sich derweil immer weiter. Er gewann die U21-Europameisterschaft mit Spielern wie Manuel Neuer, Mats Hummels und Mesut Özil, während er sich in der Bundesliga mit Hamburg vergnügte. Diese Gruppe war Teil einer jungen Mannschaft, die ein Jahr später zur Weltmeisterschaft nach Südafrika reiste. Dort wartete ein gewisser Kevin-Prince auf sie.

Im Vorfeld der Gruppenphase drehte sich alles um die Rolle von Kevin-Prince bei Ballacks Verletzung, und da sein Ruf in seinem Geburtsland bereits auf einem Tiefpunkt war, wollte er sein Image unbedingt schützen: "Ich wollte ihn nie verletzen. Ich habe mich auf der Stelle entschuldigt - es war ein spätes Foulspiel, mehr nicht. Die Medien haben mich als bösen Jungen abgestempelt und warten nur darauf, dass ich etwas Dummes mache. Aber ich bin jetzt 23, ich bin verheiratet und habe einen Sohn. Ich hoffe, dass ich diesen Ruf mit der Zeit loswerden kann."

Deutschland wurde am Ende Dritter bei der WM, Ghana schaffte es bis ins Viertelfinale. In diesem Sommer änderte sich wieder einmal alles, denn Kevin-Prince wechselte nach Italien zum AC Mailand und gewann die Serie A. Jérôme ging zu Manchester City, wo er, genau wie sein älterer Halbbruder, aufgrund von Verletzungen eine frustrierende Zeit durchlebte. Nach nur einer Saison setzte der FC Bayern München auf sein Potenzial und er kehrte nach Deutschland zurück. Von dort aus gingen die Halbbrüder unterschiedliche Wege.

Kevin-Prince blieb drei Jahre lang in San Siro, bevor er in Europa herumzog. Es folgten Stationen bei Schalke, eine kurze sechsmonatige Rückkehr nach Mailand, Las Palmas, Frankfurt, Sassuolo, Barcelona, Fiorentina und Beşiktaş. Währenddessen war Jérôme eine feste Größe im Team des FC Bayern und wurde zu einem der konstantesten Verteidiger in der Bundesliga. Er war Teil der Mannschaft, die 2013 und 2020 das Triple gewann, und bildete neben Mats Hummels das Herzstück der Nationalmannschaft.

Im Jahr 2014 kreuzten sich die Wege von Jérôme und Kevin-Prince zum zweiten Mal auf der internationalen Bühne. Wieder war es die Weltmeisterschaft. Diesmal war der Austragungsort Fortaleza, Brasilien, das Spiel ein unterhaltsames 2:2-Unentschieden. In jenem Jahr scheiterte Ghana in der Gruppenphase, während Jérôme und Deutschland es bis zum Ende schafften und zum ersten Mal als vereinte Nation die Weltmeisterschaft gewannen.

Trotz ihrer unterschiedlichen Karrierewege haben die beiden Brüder gemeinsame Prinzipien. Beide sind immer stolz auf ihre Herkunft und sprechen sich gegen Rassismus aus, wo auch immer sie gespielt haben. Kevin-Prince verließ bekanntermaßen ein Freundschaftsspiel, als er für Milan spielte, und forderte die Unterstützung der Fußballwelt. Jérôme hat sich ebenfalls zu diesem Thema geäußert und über seinen Stolz, für Deutschland zu spielen, gesprochen, obwohl viele dagegen waren.

Kevin-Prince und Jérôme teilen zwar den gleichen Nachnamen, haben aber unterschiedliche Karrieren hinter sich. Der eine hat in ganz Europa aufgetrumpft und für ein Land gespielt, das nicht immer ein Garant für internationale Erfolge war, während der andere für Verein und Nation Gelassenheit bewiesen hat. Beide haben ihre Qualitäten gezeigt, wenn auch in unterschiedlichen Umgebungen und Umständen, und werden als eine einzigartige Bruderschaft in die Fußballfolklore eingehen.

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